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Unternehmen und Märkte

«Vom analogen hin zum voll digitalisierten Beschaffungsprozess»

Marco Illgen, Leiter Projekte strategische Beschaffung bei M-Industrie. Bild: M-Industrie

Marco Illgen ist bereits seit 2011 bei der M-Industrie. Nach der Leitung diverser Grossprojekte ist er seit 2016 im Projekt «ONE Smart Solution», dem grössten Projekt der M-Industrie, für den strategisch-operativen Einkauf verantwortlich. Mit Marco Illgen unterhielt sich Matthias Mählitz, Industry Value Advisor im Bereich Consumer Products & Retail bei der SAP (Schweiz) AG.

Interview: Matthias Mählitz, SAP (Schweiz) AG

 

Herr Illgen, wie sehen Sie aktuell die Kostenentwicklungen im Handel?
Marco Illgen: Der Einkauf ist auf jeden Fall schneller geworden. Es wird vermehrt auf strategische Partnerschaften gesetzt. Aber natürlich dürfen wir nicht ausblenden, dass wir einen entsprechenden Preisdruck haben und uns im Sinne der Internationalisierung auch nach anderen Lieferanten umschauen müssen. Deshalb fordern wir für alle unsere Lieferanten, dass sie fit für den internationalen Markt sind und bleiben. Um dies auch stetig einzufordern und zu überprüfen verwenden wir für den Benchmark internationale Indexierungen.


Die Edeka-Gruppe hat sich jüngst mit Nestlé «angelegt», um Einkaufsmacht zu demonstrieren. Welche Bedeutung hat der Einkauf für ein Unternehmen wie die Migros?

Der Einkauf der Migros mit Markenherstellern ist natürlich immer ein spezielles Thema. Der Auftrag der M-Industrie ist es, weiter profitables Wachstum zu generieren. Da der Schweizer Markt weitgehend gesättigt ist, ist die Evaluierung von neuen nationalen und internationalen Kunden im Fokus.


Die meisten Handelsunternehmen fokussieren sich ausschliesslich auf Handelswaren im Einkauf. Wie sieht es bei der Migros mit anderen indirekten Materialien und Dienstleistungen aus?
Das Thema indirekte Beschaffung hat einen sehr starken Stellenwert. Wir haben eine hohe Quote an «Maverick Buying» im Dienstleistungsbereich. Entsprechend wollen wir zukünftig indirekte Güter und zu beziehende Dienstleistungen über vordefinierte Kataloge mit entsprechenden Freigabezyklen und elektronischen Workflows über das SAP Ariba Netzwerk abwickeln. Durch logische Kategorisierungen und intelligente Systemnutzung über das gesamte Beschaffungsvolumen, möchten wir die notwendige Transparenz herstellen und daraus weitere Massnahmen ableiten.


Welche Rolle spielen dabei IT- und Software-Lösungen?

Früher haben wir über klassische Wege wie Messen oder lokale Kontakte Lieferanten kennengelernt. Wir möchten in der Zukunft ganz klar von dieser analogen Arbeitsweise hin zu einem voll digitalisierten Beschaffungsprozess gehen. Die Idee ist, von der Lieferantensuche über Ausschreibungen, der Verhandlung bis zur Rahmenvereinbarung und weitergedacht auch noch die operativen Prozesse, wie Purchase-to-pay, komplett digital abzuwickeln. Wir haben bereits vor vier Jahren angefangen uns IT-Lösungen für den strategischen Einkauf anzuschauen. Die heutigen sowie zukünftigen Anforderungen wurden vornehmlich vom Business definiert. Nach einer ausführlichen Marktevaluation haben wir uns für SAP Ariba entschieden. Bisher hatten wir kein dediziertes Tool für die strategische Beschaffung. Es ist dementsprechend etwas Neues und stellt mit seinen Funktionalitäten einen sehr visionären Ansatz dar. Einer der entscheidenden Gründe für SAP Ariba, war und ist die erhöhte Integration zu unserem zukünftigen ERP S/4HANA.


Und wie sehen Sie die Einkaufsorganisation im Jahr 2025?
Unser Zielbild 2025 sieht insofern so aus, dass wir standardisierte Prozesse auch anwenden und weitestgehend Prozesse durch Systemunterstützung automatisiert haben. Speziell im SAP Ariba haben wir einen sehr grossen Funktionsumfang, den wir iterativ in die M-Industrie ausrollen wollen. Wir haben aber auch noch viele Ideen, wo die Zukunft hingehen könnte, wie zum Beispiel die Blockchain-Technologie. Zudem wollen wir in der Lage sein, als Organisation in kurzer Zeit neue Business Cases auszuprobieren. Aus unserer Sicht legt SAP mit dem ERP S/4HANA und SAP Leonardo die richtige Grundlage, unsere Anforderungen im Bereich Künstliche Intelligenz und Blockchain zu realisieren. Unsere Devise ist, dass wir unser Transformationsprojekt eigentlich nie beenden, es geht immer weiter, es gibt immer neue Themen.


Wie wichtig ist Ihnen die Versorgungssicherheit, Transparenz und Nachhaltigkeit der Lieferketten?

Es ist enorm wichtig, es geht absolut nicht ohne! Wir brauchen die Transparenz und wir müssen unsere Supply-Chain-Prozesse von Anfang bis zum Ende im Griff haben. Störfaktoren müssen frühzeitig erkannt und behoben werden. Beispiel im Einkauf wäre der Konkurs eines Lieferanten. Nur wenn wir den gesamten Prozess kennen, sind wir in der Lage, Lieferantenprobleme rechtzeitig zu erkennen und die entsprechenden Massnahmen einzuleiten. In diesem Fall würden wir zunächst versuchen, den vorgelagerten Lieferanten in den Beschaffungs- und Supply-Chain-Prozess einzubinden, bevor wir in eine Ausschreibung gehen. Unser Credo ist die Nachvollziehbarkeit vom Ursprung bis letztlich zum Endkunden. Wir wollen die Kartoffel vom Feld bis zum Kunden verfolgen können.


Wenn Sie sich etwas von den grossen IT-Anbietern wünschen würden, was wäre es und warum?
Wir benötigen Unterstützung, die noch nicht integrierten Lieferanten in das SAP Ariba Netzwerk einzubinden. Innovation und kontinuierliche Verbesserungen bilden eine Basisanforderung an unsere Systemanbieter. Nur so können wir und unsere Lieferanten besser und schneller werden. Im nächsten Schritt liegt es an uns, die bestehenden Funktionalitäten auszurollen und einzusetzen. Unsere Einkäufer freuen sich drauf.


Vielen Dank für die Einblicke und viel Erfolg bei der nächsten Phase und dem gesamten Projekt.


Öffnet externen Link in neuem Fensterwww.mindustry.com
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Interview: Matthias Mählitz, SAP (Schweiz) AG


M-Industrie & «ONE Smart Solution»
M-Industrie gehört mit ihren 25 leistungsstarken Unternehmen in der Schweiz und den sieben Betrieben im Ausland zur Schweizer Migros-Gruppe. Sie bietet über 20 000 hochwertige Food- und Non-Food-Produkte an und ist damit einer der grössten Eigenmarkenproduzenten weltweit. Im Fokus des Projekts «ONE Smart Solution» stehen Prozess-, Organisations- und Produktivitätsoptimierungen über die gesamte Wertschöpfungskette. Dafür werden modularisierte, industrieweite Prozessbausteine entwickelt und ein einheitliches IT-System basierend auf SAP S/4HANA eingeführt. Über 120 Mitarbeitende aus allen Unternehmen der M-Industrie arbeiten an diesem Projekt mit.