Dieses Interview wurde erstmals in der HANDEL-HEUTE-Printausgabe, Nummer 2-2019, publiziert.
Interview: Robert Altermatt
Vor mehr als 30 Jahren schickte sich ein visionärer Mann aus Genf an, den Schweizer Optiker-Markt gehörig durcheinanderzuwirbeln. Sein Name: Daniel Mori. Der heute 64-Jährige gründete 1988 die Firma Visilab. Das Unternehmen ist zur Zeit die Nummer eins im Schweizer Optik-Markt. Seit rund vier Jahren setzt die Visilab-Gruppe eine ambitiöse und umfangreiche Omni-Channel-Strategie um.
Wie kamen Sie im Jahr 1988 eigentlich auf die Idee, die Firma zu gründen?
Daniel Mori: Meine Familie besass damals in Genf ein Familienunternehmen namens Pharmacie Prinicpale, das mein Grossvater Sam Mori mitbegründet hatte und das hauptsächlich im Gesundheitswesen und im Pharmazie-Bereich tätig war. Ich studierte in jungen Jahren zuerst in Genf und ging dann später für ein MBA in die USA. Wir hatten damals in unserem Familienunternehmen eine kleine Einheit, die im Optik-Bereich tätig war, doch war deren Bedeutung sehr marginal. Während meines Studiums in den USA habe ich dann im Bereich des Optik-Marktes Konzepte gesehen, die extrem innovativ waren, und das wiederum hat mich sogleich auf neue Ideen gebracht. Mir war sofort klar, welches Potenzial hier brach lag. Als ich dann nach dem Studium aus den USA zurück nach Genf kam, habe ich intern mein Interesse kundgetan, den in unserer Firma marginal kleinen Optik-Bereich zu entwickeln und profitabel zu gestalten. Die Idee war geboren, und der Rest der Geschichte dürfte bekannt sein...
Die Visilab-Gruppe hat in der Schweiz aktuell mehr als 100 Standorte. 2018 hat Visilab erneut mehr Korrektur- und Sonnenbrillen verkauft und den Umsatz um fünf Prozent auf 250 Millionen Franken verbessert. Kaufen die Leute generell mehr Brillen oder waren Sie so viel besser als die Konkurrenz?
Was die Umsatzsteigerung um fünf Prozent betrifft, so rührt diese ganz klar daher, dass wir im vergangenen Jahr Marktanteile dazugewonnen haben. Konkret haben wir Boden gut gemacht – hauptsächlich zu Lasten von unabhängigen Optik-Geschäften. Heutzutage ist es einfach so, dass sich immer mehr Kunden zuerst im Internet informieren, bevor sie etwas kaufen und sich somit selbst ein Bild eines Unternehmens machen. Insofern wird die unternehmenseigene Website immer wichtiger. Wer wie wir eine attraktive und leistungsfähige Homepage hat, gepaart mit interessanten Produkten und Angeboten – dann sagt sich der Kunde: «der Auftritt von Visilab überzeugt mich, die Produkte und Dienstleistungen dieser Firma muss ich unbedingt einmal ausprobieren.» Ich stelle fest, dass wir dank unserer Website und unserer Omni-Channel-Strategie Marktanteile dazugewonnen haben. Wir sind nicht nur im Vergleich mit den kleineren und selbstständigen Optikern, sondern auch gegenüber unseren grossen Mitbewerbern klar besser aufgestellt. Das sage übrigens nicht ich, das sagen unsere Kunden.
Wie kommt es, dass Visilab schneller wächst als der Markt?
Das ist eindeutig das Resultat unserer Omni-Channel-Strategie, die wir vor vier Jahren eingeschlagen haben und die wir fortlaufend weiterentwickeln. Ich bin der Ansicht, dass 2018 in Bezug auf unser Omni-Channel-Geschäftsmodell ein entscheidendes Jahr war, weil wir erstmals die Früchte unserer massiven Investitionen geerntet haben.
Visilab hat seine Omni-Channel-Strategie erfolgreich umgesetzt. Neben einer neuen Website wurden die Verkaufsgeschäfte umgestaltet, mit Augmented Reality können Brillen getestet oder mit OneTab, einem Tablet, können die Verkaufsgespräche in den Geschäften mit Informationen und Visuals bereichert werden. Was ist der Status Quo bei Visilab in Sachen Omni-Channel?
Nun, mittlerweile präsentiert sich die Situation dergestalt, dass Visilab eine komplette Omni-Channel-Palette anbieten kann. Konkret heisst das, dass wir die meisten unserer Produkte sowohl in den Filialen als auch in unserem Webshop verkaufen. Bei den Dienstleistungen ist das anders: Sämtliche optometrischen Services wie etwa Sehtests für Brillen oder für Kontaktlinsen können auch heute noch nach wie vor ausschliesslich in der Filiale vorgenommen werden. Selbstverständlich haben unsere Kunden aber die Möglichkeit, jederzeit einen Termin für einen Sehtest auf unserer Website zu vereinbaren. Aber natürlich wissen wir heute nicht, wie das Ganze in zehn Jahren aussehen wird – die technologische Entwicklung ist rasant. Persönlich bin ich allerdings der Ansicht, dass gewisse Services auch künftig von Menschen aus Fleisch und Blut ausgeführt werden, gerade weil die Kunden in Zeiten der Digitalisierung den menschlichen Kontakt suchen.
Hat heutzutage ein Optiker, der ausschliesslich stationär unterwegs ist, überhaupt noch eine Überlebenschance?
Ehrlich gesagt: ein Optiker, der heute rein stationär tätig ist und der lediglich mit einer minimalistischen Website präsent ist, der hat bereits oder wird grosse Mühe bekunden, weiterhin am Markt zu bestehen oder zu reüssieren. Das trifft übrigens nicht nur auf die Optik-Branche, sondern auf den gesamten Detailhandel zu. Diejenigen Händler, die in Zukunft über keine leistungsstarken digitalen Angebote verfügen, werden es meines Erachtens extrem schwer haben. Wenn ich mir nur schon die jüngere Generation anschaue und wenn ich dann sehe, wie beispielsweise das Einkaufsverhalten meiner Kinder ist, so stelle ich fest, dass die Digitalisierung unumkehrbar ist. Meine Kinder kaufen alles im Internet ein, ich bin mir nicht sicher, ob sie überhaupt noch wissen, was ein Laden ist (lacht). Wer Omni-Channel «richtig» betreiben will, der muss beträchtliche Mittel investieren, zum Beispiel in die Logistik oder in Sachen Kompetenz. Ich gestehe: Als wir bei Visilab vor mehr als vier Jahren mit der Umsetzung unserer Omni-Channel-Strategie begonnen haben, war ich mir anfänglich überhaupt nicht bewusst, welch grosse Veränderungen unserem Unternehmen bevorstehen und dass die Abläufe dadurch komplett umgekrempelt werden. Wichtig in diesem Zusammenhang: Das Ganze war von allem Anfang an nicht ein einzelnes, in sich isoliertes Projekt der IT oder des Marketings, sondern ein firmenumfassendes Grossprojekt unter Federführung der Generaldirektion.
Weshalb ist die Produktion und der Handel von Brillen nach wie vor ein lukratives Geschäft?
Da gibt es zwei einleuchtende Erklärungen: erstens wächst aufgrund der demografischen Entwicklung der Bevölkerung und der Zunahme von älteren Menschen auch der Bedarf an visuellen Hilfsmitteln. Die immer älter werdende Bevölkerung ist deshalb für den Optik-Handel insofern ein Segen, weil ältere Menschen viel öfter eine Brille benötigen. Ein zweiter Aspekt ist die vor allem bei jüngeren Menschen – leider bin ich geneigt zu sagen – stark grassierende Kurzsichtigkeit. Gerade Tablets oder Smartphones beeinflussen die Kurzsichtigkeit. Wir stellen bei jungen Leuten jedenfalls eine starke Zunahme von Kurzsichtigkeit fest.
Welches sind Ihrer Ansicht nach die wichtigsten Innovationen im Optik-Markt in den letzten zehn Jahren?
Da fallen mir spontan zwei Innovationen ein – einerseits ist da die neue Generation von bifokalen Brillengläsern zu nennen, die in den letzten zehn Jahren ausserordentliche Entwicklungssprünge verzeichnet hat. Heute werden ultrapersonalisierte und auch unheimlich effiziente Gleitsichtgläser hergestellt. Der zweite grosse Fortschritt, der in den vergangenen zehn Jahren erreicht wurde, betrifft die Kontaktlinsen. Die heutigen Tageslinsen stellen eine unglaubliche Revolution dar. Während man früher komplizierte Kontaktlinsen trug, die mühsam über Nacht in Reinigungsbäder eingelegt werden mussten, sind die modernen Wegwerf-Linsen enorm praktisch in der Handhabung. Das ist ein enormer Fortschritt!
Weshalb haben Sie 2017 einen Mehrheitsanteil von Visilab an den niederländischen Brillenkonzern Grandvision verkauft?
Grandvision war bereits seit 2007 Minderheitsaktionärin von Visilab mit einem Anteil von 30 Prozent. Zwischen 2007 und 2017 hatten wir eine ausserordentliche Partnerschaft. Wir hatten (und haben) wirklich zu keiner Zeit Meinungsverschiedenheiten. Entscheide treffen wir gemeinsam mit hundertprozentiger Übereinstimmung. Grandvision ihrerseits gehört zur Hal-Gruppe, welche ebenfalls ein Familienunternehmen ist. Die Hal-Gruppe verfolgt dieselbe Vision wie Visilab, indem sie wie wir ihre Geschäfte langfristig plant und ausführt. Da wir uns immer einig waren und wir dieselben Werte teilen, konnten wir uns sofort damit anfreunden, dass Grandvision ihr Aktienkapital an Visilab erhöht und gleichzeitig auch verstärkt investiert. Für uns war aber auch immer klar, dass wir einen Minderheitsanteil behalten und natürlich auch weiterhin Partner sein wollen. Und umgekehrt war es so, dass Grandvision/Hal uns als Minderheitsaktionär unbedingt halten wollte, nicht zuletzt auch, weil das Management von Visilab aus der Schweiz kommt und das Land und die hiesigen Gepflogenheiten sehr gut kennt. Ende dieses Jahres wird Grandvision zu 80 Prozent an Visilab beteiligt sein, während die Groupe Pharmacie Principale Holding (GPPH), welche 1912 in Genf gegründet wurde, langfristig die restlichen 20 Prozent behalten wird. In meinen Augen ist das ein gutes Gleichgewicht für die Zukunft.
Was sind die grössten Vorteile dieser Kooperation mit Grandvision?
Grandvision hat aufgrund ihrer Grösse Zugang zu wesentlich besseren Einkaufspreisen als das bei uns der Fall ist – ein enormer Vorteil! Grandvision verfügt zudem über viele Informationen, die wir nicht haben, und bei der Entwicklung neuer technologischer Entwicklungen sind sie international breit vernetzt und führend. Zu guter Letzt verfügt Grandvision/Hal über einen sehr soliden und gesunden finanziellen Background, ein Aspekt, der angesichts der von uns getätigten Investitionen und unserer ehrgeizigen Omni-Channel-Strategie zentral ist.
Die Margen in der Optik-Branche sinken. Dazu trägt auch die Online-Konkurrenz bei. Grosse Online-Optiker wie Mister Spex drängen verstärkt auch in den Schweizer Markt. Wie stark spüren Sie Mitbewerber wie Mister Spex?
Bis dato spüren wir diese Online-Konkurrenz in der Schweiz fast nicht. In Bezug auf die Marktdurchdringung in der Schweiz sind diese Mitbewerber momentan eher von marginaler Bedeutung. Diese Konkurrenten entwickeln sich jedoch schnell und sie sind seriös. Wir unterschätzen sie nicht. Wichtig für uns in diesem Kontext ist, dass wir uns im digitalen Bereich mindestens auf dem gleichen Niveau bewegen wie unsere Mitbewerber oder besser als diese sind. Wir von Visilab haben den grossen Vorteil, dass wir auf eine grosse Erfahrung mit unserem stationären, sehr engmaschigen Ladennetz in der Schweiz zurückgreifen können. Diesbezüglich sind wir unseren Online-Konkurrenten klar voraus. Das stimmt uns für die Zukunft optimistisch. Nochmals: die vor vier Jahren bei Visilab eingeführte Omni-Channel-Strategie ist der Erfolgsschlüssel für eine erfolgreiche Zukunft schlechthin.
Was fasziniert Sie an Ihrem Job?
Das wird Sie vielleicht überraschen, aber bei mir war nie das Geld die Hauptmotivation zum Arbeiten. Ich habe mich in meinem Berufsleben immer dadurch motiviert, kreativ zu sein und Projekte zu realisieren. Spannende und herausfordernde Projekte aufzugleisen und danach auch erfolgreich zu Ende zu bringen, das ist für mich eine enorme Befriedigung. Natürlich darf man nie den ökonomischen Aspekt ausser Acht lassen, sprich man muss als Unternehmer immer das Weiterbestehen der Firma wachsam im Auge haben. Geschäftet eine Firma nicht profitabel, droht bald das Ende. Das ist völlig klar.
Der zweite Aspekt, der mir in meinem Job grosse Freude bereitet, ist der menschliche Aspekt. Mir war – und ist es nach wie vor – extrem wichtig, Arbeitsplätze zu schaffen und insbesondere die Ausbildung von Mitarbeitenden zu fördern. Ganz wichtig erachte ich auch, dass die Mitarbeitenden eines Unternehmens sich an ihrem Arbeitsplatz wohlfühlen und dass innerhalb der Firma gegenseitiger Respekt vorhanden ist. Die Einhaltung der vorher genannten Werte ist für mich absolut essentiell.
Am Optik-Handel gefällt mir besonders, dass dieser sehr diversifiziert ist. Unsere Branche bewegt sich an einer Schnittstelle zwischen Mode, Gesundheit und humanitärem Bereich.