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Unternehmen und Märkte

Top-Referate am «Retail Forum Switzerland»

Das 11. «Retail Forum Switzerland» wartete Anfang November in Zürich mit einem ganzen Füllhorn an spannenden Referaten statt. Die Veranstaltung, die im Radisson Blu Hotel am Flughafen Zürich vor über 200 Teilnehmerinnen und Teilnehmern über die Bühne ging, stand in diesem Jahr unter der Affiche «What makes a great customer experience?».

Die Erleichterung, dass das Retail Forum Switzerland nach zweijähriger, Corona-Pandemie-bedingter Pause endlich wieder vor einem vollen Saal über die Bühne gehen konnte, war dem Veranstalter und Organisator des Anlasses, Marcel Stoffel, deutlich anzumerken und im Saal spürbar. Stoffel: «Ich freue mich sehr, dass wir jetzt endlich wieder mit unseren Aktivitäten loslegen können. Wir befinden uns momentan - je nach Sichtweise - in der Phase Corona minus oder Corona plus eins.»

Als erster Referent des «Retail Forum Switzerland 2022» trat Michel Rahm, Leiter Marketing und Consumer Intelligence beim Marktforschungsinstitut GfK Switzerland, ans Rednerpult. Rahm erklärte, dass der gesamte Detailhandel in der Schweiz im vergangenen Jahr 2021 um 3,2 Prozent auf 102,3 Milliarden Franken gewachsen sei und dieser dabei erstmals die 100-Milliarden-Franken-Grenze in der Schweiz geknackt habe. Grundsätzlich habe sich der Retail-Markt in der Schweiz positiv entwickelt, aber die Situation sei derzeit äusserst fragil, da die Konsumentinnen und Konsumenten aufgrund des Ukraine-Kriegs, der Inflation und einer drohenden Energie-Mangellage teilweise stark verunsichert seien.

Rahm führte aus, dass der Food-Umatz im Detail-Handel nach dem Höhenflug in den Corona-Jahren 2020 und 2021 in diesem Jahr wieder rückläufig sei. Im Gegenzug legten die Segmente Fashion und Freizeit wieder zu. Der Anteil des Online-Handels im Gesamt-Retail-Markt Schweiz beträgt laut GfK Switzerland aktuell rund zwölf Prozent. Bemerkenswert ist die Tatsache, dass erstmals seit vielen Jahren die von Schweizer Konsumentinnen und Konsumenten im Ausland getätigten Online-Einkäufe derzeit stagnieren.

Kaltstart Anfang 2023 möglich

Patrick Kessler vom Handelsverband.swiss ging ebenfalls auf die Situation des Detailhandels in der Schweiz ein, legte seinen Fokus aber erwartungsgemäss auf den E-Commerce. Kessler erklärte gleich zu Beginn seiner Ausführungen, dass er das Publikum auf eine «Achterbahn-Fahrt» mitnehmen werde. Damit spielte Kessler auf die Auf- und Ab-Bewegungen des Online-Handels in den letzten Monaten an. Als (negatives) Beispiel nannte er den Monat September 2022, bei dem im Vergleich zum Vorjahr ein Minus von 1,7 Prozent resultierte. Generell sei es aber so, dass 2022 «ein immer noch sehr gutes Jahr für den E-Commerce in der Schweiz» sein werde. Bei seiner Prognose für das Gesamtjahr 2022 rechnet Kessler mit einem Wachstum von +/-0 Prozent.

E-Commerce-Experte Kessler, der im ersten Semester des kommenden Jahres als Präsident von Handelsverband.swiss zurücktreten wird, erklärte, dass die vieldiskutierte Energie-Mangellage weiterhin ein heisses Thema bleiben werde, auch für den Online-Handel. Ein «extremer» Trend, der sich seit längerer Zeit manifestiert habe, sei die Entwicklung, dass grosse Unternehmen und Marken mit ihren Produkte direkt zu den Kunden gehen würden, was natürlich unmittelbar markante Konsequenzen auf die Händler nach sich ziehe.

Persönlich geht Kessler davon aus, dass der Detailhandel (stationär und online) ein gutes Weihnachtsgeschäft 2022 inlusive «Singles Day und «Black Friday» erleben werde, aber 2023 werde der Schweizer Retail-Markt in den ersten zwei bis drei Monaten einen «Kaltstart» hinlegen. Er riet den anwesenden Händlern, sich dementsprechend «warm anzuziehen und in Bewegung zu bleiben» und schloss mit dem Appell: «Leeren Sie jetzt Ihre Lager!»

Ab Frühling rechnet Kessler damit - sofern sich die geopolitische Krisen-Lage nicht noch zusätzlich verschärft (Stichwort China-Taiwan-Konflikt), dass sich am Retail-Horizont eine «psychologische Erholung» abzeichnen wird und die Konsumentinnen und Konsumenten auch wieder mehr kaufen werden - nicht zuletzt auch übers Internet. Vor diesem Hintergrund sei ein Gesamtwachstum des E-Commerce-Marktes in der Schweiz von acht bis zehn Prozent für 2023 realistisch.

Mit zu dieser positiven Einschätzung des Schweizer Retail-Marktes trage der Umstand bei, dass die Mobilität der Bevölkerung seit dem Abklingen der höchsten Corona-Stände wieder stark zugenommen habe und entsprechend auch wieder verstärkt konsumiert werde. Ein weiterer Punkt sei, dass die Transportpreise seit geraumer Zeit wieder fielen, was sich à la longue ebenso positiv auf den Detailhandel auswirken könnte, so Kessler.

Globus im Transformationsprozess

Ein mit grosser Spannung erwarteter Referent am «Retail Forum Switzerland» war Franco Savastano, seit 2019 CEO der Warenhausgruppe Globus, denn seine öffentlichen Auftritte sind rar. Retail-Profi Savastano, der in seiner Karriere vor seinem aktuellen Engagement als oberster Globus-Chef früher u.a. das Modehaus Grieder und das Warenhaus Jelmoli leitete, ging im ersten Teil seines Referats auf die grossen Veränderungen ein, welche die bekannte Schweizer Warenhausmarke Globus derzeit durchlebt. Als die Migros die Globus-Warenhäuser an die Central Group Europe bzw. Signa Retail veräusserte, war Globus in der Schweiz mit einem dichten Filialnetz an 48 Standorten in der Schweiz präsent.

Seither befindet sich Globus in einem tiefgreifenden Transformationsprozess. Geblieben sind, Stand November 2022, lediglich noch neun Warenhäuser in der Schweiz an den sieben Standorten Zürich, Genf, Lausanne, Bern, Luzern, Basel und St. Gallen. Globus ist in Europa jetzt Teil eines europäischen Warenhaus-Verbundes, dem beispielsweise auch die bekannten Warenhäuser Selfridges (Grossbritannien), Kadewe (Berlin) oder Rinascente (Italien) angehören. Gemeinsam ist diesen Premium-Warenhäusern, dass sie sich jeweils an den besten Stadtlagen befinden und eine lange Tradition haben (alle Marken sind mehr als hundert Jahre alt).

Teil des tiefgreifenden Restrukturierungsprozesses bei Globus war neben der massiven Reduktion der Standorte eine Verkleinerung der Administration am Hauptsitz Zürich. Gleichzeitig wurden Sponsoring- und Co-Branding-Aktivitäten eingestellt und das Warenlager massiv abgebaut. Beim Marken-Portfolio erwog das jetzige Globus-Management einen kompletten Strategiewechsel. So wurde das Angebot der vielen Globus-Eigenmarken drastisch verkleinert. Behalten wurden lediglich noch das Food-Format «Delicatessa» und «Home & Living».

Savastano sagte in Zürich, dass Globus heute im Online-Bereich hoch profitabel arbeite. Rund 15 Prozent des Gesamt-Umsatzes erwirtschafte mittlerweile der Online-Store. Der ganze Transformationsprozess, in dem sich Globus befindet, sei sehr anspruchsvoll. Die Marke Globus sei, so Savastano, mit seinen Standorten an bester Innenstadt-Lage gut positioniert, verfüge über einen hohen Bekanntheitsgrad und ein exquisites Image. Gleichzeitig müsse der Luxus-Anspruch von Globus den hohen Ansprüchen seiner Kundschaft genügen. Zur Globus-Kundschaft gehörten mitunter Leute, die sich etwas kauften, weil «diese sich etwas gönnen möchten», so der Globus-CEO.

Savastano: «Globus ist im reichsten Land der Welt zu Hause. Es gibt kein Land auf der Welt, das so eine hohe Dichte an Luxushäusern hat wie die Schweiz. Und: wir haben Kunden, die gerne kaufen. Nur: wir bei Globus hatten in der Vergangenheit nicht das Angebot für diese Kunden.» Dieses Ungleichgewicht habe sich jetzt dank ergriffener Gegenmassnahmen jedoch stark verbessert. Stationär besuchen pro Jahr rund zwölf Millionen Kunden ein Globus-Warenhaus, im Online-Shop sind es 20 Millionen Besucherinnen und Besucher.

Grossen Wert legt Globus auf die individuelle Betreuung der Kunden, weswegen hausintern die Kunden-Zentriertheit an oberster Stelle steht. Dazu gehört auch, dass Globus das Verhalten seiner Kundschaft umfassend analysiert. Ein Daten-Team von acht Leuten bereitet bei Globus Daten auf, die später für künftige Entscheidungsprozesse, beispielsweise was den Einkauf betrifft, herangezogen und genutzt werden. Die Daten-Analyse werde immer wichtiger, sei sogar heutzutage zu einem unverzichtbaren Instrument geworden, so Savastano. Die wichtigste Kundengruppe bei Globus seien die 45- bis 60-Jährigen. Unabdingbar sei es aber, die junge Generation Z im Auge zu behalten, schliesslich bilde diese das Zukunfts-Fundament.

Wenn ein derart tiefgreifender Transformationsprozess angestossen werde, wie das bei Globus der Fall ist, so sei es völlig klar, dass man als Unternehmen bestehende Kunden verliere und dass man mit dieser Tatsache adäquat umgehen könne, so Savastano. «Aber natürlich gewinnt man auch neue Kunden. Und Kunden gewinnen heisst auch, Kunden zu verstehen. Kunden zu verstehen bedeutet auch, zu wissen, was diese möchten. Das ist eine relativ einfache Logik. Früher hiess die Devise: Handel ist Wandel, heute lautet die Devise: Handel ist Transformation.»

Exklusivität

Eminent wichtig für die Zukunft von Globus ist die Exklusivität - und genau deshalb setze Globus auf ein begehrliches und einzigartiges Waren-Portfolio und ein aussergewöhnliches Ambiente. Der Strategie, dass Produkte, die nicht verkauft werden, danach in den Sonderverkaufs-Kanal gelangen, dieser Denke erteilt das aktuelle Globus-Management eine strikte Abfuhr. «Der grösste Treiber im Retail ist die Begehrlichkeit. Solange Sie begehrliche Produkte und Marken haben, passiert Ihnen nichts. In dem Moment, in dem Sie nicht begehrlich sind, fallen Sie in den Bedarf. Fallen Sie in den Bedarf, fallen Sie in den Preiskampf. Und wenn Sie da mal drin sind, kommen sie nicht mehr raus, weil die Margen zusammenfallen, Sie nicht mehr investieren können und Sie so quasi zum Tode verurteilt sind.»

Weitere namhafte Referenten am 11. Retail Forum Switzerland waren - unter anderen:

  • Rolf Hiltl, lnhaber der vegetarischen Restaurant-Kette Hiltl
  • Mimi Mollerus, CEO der Handtaschen-Manufaktur Maison Mollerus
  • André Lüthi, charismatischer Chef des Reiseunternehmens-Gruppe Globetrotter

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