Dieses Interview wurde erstmals in der HANDEL-HEUTE-Printausgabe, Nummer 3-2018, publiziert.
Interview: Robert Altermatt
Die Schweizer Schokoladenherstellerin Maestrani mit Sitz in Flawil im Kanton St. Gallen ist eine von 17 Schokoladenfabriken in der Schweiz. Mit einem Marktanteil von zwei Prozent gehört Maestrani zu den kleineren Akteuren im Schweizer Markt. Bekannt ist Maestrani für seine Marken Minor, Munz und Maestrani. Ausserdem produziert Maestrani auch koschere, vegane und Bio-Schokoladen.
Herr Vettiger, Das Leitmotiv von Maestrani lautet: «Wir sind die Ostschweizer Schokoladenfabrik des Glücks». Was genau verstehen Sie darunter?
Markus Vettiger: Unser Leitmotiv hat einen direkten Zusammenhang mit unserem neuen Besucherzentrum, dem Chocolarium. Wir wollten bei diesem Projekt explizit kein Museum, sondern eine Erlebniswelt auf die Beine stellen. Und dabei ein Besucherzentrum erschaffen, das notabene mit Inhalten wie Emotionen, Erlebnissen und Selbermachen aufwartet und begeistert. Dabei kam mir die Idee: «Schokolade macht glücklich». Zum Glücklichsein muss man aktiv etwas unternehmen. Und das haben wir mit dem Chocolarium getan. Das Kernthema in der Chocolarium-Ausstellung lautet «Maestrani`s Chocolarium – die Schokoladenfabrik des Glücks», welche aufzeigt, wie das Glück in die Schokolade kommt. Damit der Besucher dieses Glück erfährt, muss er auf dem Rundgang aktiv etwas dafür tun.
Wie kann man sich als Schweizer Schokoladeproduzent in einem harten Wettbewerbsumfeld mit 17 Schokoladefabriken und einem Marktanteil von zwei bis drei Prozent über Wasser halten?
Der Schweizer Schokoladenmarkt ist sehr stark umkämpft, mit zwei grossen Dominatoren an der Spitze. Wir befinden uns von der Grösse her auf Rang sechs oder sieben. Die grossen Schokoladeproduzenten spielen in einer anderen Liga. Das bedeutet für Maestrani, dass wir uns von diesen Mitbewerbern klar differenzieren müssen. Das machen wir, indem wir Spezialitäten produzieren und diese Nische auch konsequent pflegen. Einzigartig sind zum Beispiel Produkte wie unsere «Munz Banane» oder unsere Caramel Bouchées. Wir werden weiterhin Produkte lancieren, die schwierig zu kopieren sind. Wir sind stark im Bereich der Kaffeebeilagen mit den Marken Munz und Minor, und auch mit unseren Schokolade-Stängeln sind wir gut positioniert.
Daneben sind wir in Nischenmärkten tätig. So stellen wir seit über 30 Jahren Bio-Fair-Trade-Schokolade her. Für die grossen Player ist dieses Segment nicht wirklich von Interesse, weil die Volumina relativ bescheiden sind. Maestrani hat sich auf die Fahne geschrieben, in der Produktion eine hohe Komplexität möglichst effizient zu bewältigen, weil es eben auch Kunden gibt, die nicht Hunderte oder Tausende Kilogramm Schokolade kaufen wollen oder können.
Der Hauptmarkt von Maestrani ist nach wie vor die Schweiz, richtig?
Ja. Wir haben einen Exportanteil von etwas über 30 Prozent, der Rest entfällt auf die Schweiz, das ist korrekt so.
Der Exportanteil an der Gesamtproduktion von Maestrani-Schokolade und Confiserie-Produkten liegt derzeit bei über 30 Prozent – mit steigender Tendenz?
Die Tendenz zeigt nach oben, das ist richtig. Wir wachsen in gewissen Marktsegmenten im Ausland recht gut. In Europa sind die Märkte im Moment übersättigt und es tobt ein starker Preiskampf. Im Travel-Retail-Bereich, den man früher als Duty-Free-Geschäft kannte, verzeichnen wir ein grosses Wachstum, vor allem in Asien. Zudem haben wir in einigen Schwellenländern und deren Binnenmärkten ansprechende Zuwachsraten.
Wo sehen Sie für Maestrani Wachstumspotenzial?
In der Schweiz ist es so, dass wir hierzulande künftig nur marginal wachsen können beziehungsweise werden. Falls wir in der Schweiz Marktanteile dazugewinnen können, dann wird dies nur über Innovationen gehen. Das grosse Wachstum wird aus dem Exportgeschäft kommen.
Maestrani mit seinen Marken Maestrani, Minor und Munz produziert seine Schokoladeprodukte in der Schweiz. Ist eine Produktionsverlagerung ins Ausland denkbar?
Diejenigen Produkte, die wir in der Schweiz verkaufen, werden wir sicherlich auch in Zukunft hier herstellen. Ich kann mir zum jetzigen Zeitpunkt nicht vorstellen, dass wir eine Minor-Schokolade oder ein Munz-Branchli jemals im Ausland produzieren werden. Als mittelständisches Unternehmen sind unsere Ressourcen, sowohl die finanziellen als auch diejenigen des Managements, beschränkt. Eine Produktionsverlagerung ins Ausland erachte ich deshalb als nicht sehr wahrscheinlich. Unser Anspruch ist es, Schweizer Produkte in der Schweiz herzustellen und zu verkaufen.
Ihr Unternehmen setzt seit vielen Jahren erfolgreich auf Nischenprodukte wie Schokolade in Bio-Qualität, neuerdings auch auf koschere oder vegane Schokolade. Wie kam es dazu?
Diese von Ihnen erwähnten Nischenprodukte gehören zu unseren Spezialitäten. Koschere Schokoladen-Produkte stellen wir seit 30 Jahren her. Während des Produktionsprozesses von koscherer Schokolade ist bei Maestrani übrigens immer ein Rabbiner anwesend. Diese Volumina mit koscherer und veganer Schokolade sind ein wichtiger Bestandteil unseres Geschäfts. Gerade diese Spezialitäten sind es, die Maestrani einzigartig machen, auch weil wir hier während vieler Jahre ein grosses Know-how aufgebaut haben.
Im Bio-Fairtrade-Geschäft mit Schokolade ist Maestrani ein Pionier in der Schweiz. Entstanden ist dieses Segment in Zusammenarbeit mit der Firma Rapunzel, die in Deutschland eine grosse Bio- und Fairtrade-Herstellerin und Händlerin ist. Dieses Geschäftsfeld ist von den Anforderungen her ebenfalls sehr komplex. Wir setzen ganz bewusst auf Bio und Faitrade – und dabei achten wir bei der Herstellung unserer Produkte auf die Einhaltung von klar definierten sozialen, ökologischen und ökonomischen Kriterien.
Das Schokolademuseum und Besucherzentrum «Maestrani’s Chocolarium», im April 2017 eröffnet, ist bereits jetzt ein veritabler Besuchermagnet. Was können Sie uns zur Entstehungsgeschichte des Chocolariums sagen?
Da, wo jetzt das Chocolarium steht, stand früher ein Altbau aus Holz. Eher etwas handgestrickt organisierten wir damals dort für Kinder beispielsweise die Möglichkeit, Figuren aus Schokolade in Form zu giessen. Dieses Angebot kam bei den Kindern sehr gut an. Zu einem späteren Zeitpunkt kam dazu, dass ein guter Bekannter von mir, der damals in Dubai wohnte, mit seinen Kindern einmal im Jahr bei Maestrani in Flawil vorbeikam, um selber Schokofiguren zu giessen. Weil die Kinder dieses Bekannten von diesem Schokolade-Giessen jeweils derart begeistert waren, entstand bei mir rasch der Gedanke, hier auf dem Produktionsgelände von Maestrani etwas Ähnliches zu schaffen, dann aber richtig und ein paar Massstäbe grösser. Mir schwebte eine Schokolade-Erlebniswelt mit Emotionen, Geschichten und dem Aspekt des Selber-Gestaltens, gepaart mit einem stark edukativen Charakter, vor. Ich wollte eine Erlebniswelt der Schokolade schaffen, in die Kinder und Erwachsene eintauchen können, in der das Haptische angesprochen wird und Geschichten erzählt werden. Jung und Alt in allen Altersgruppen sollten das Thema Schokolade erleben – und dabei auf spielerische Art auch viel lernen.
In der Geschäftsleitung haben wir diesen Gedanken aufgegriffen, daraus ein Projekt gemacht und dieses dem Verwaltungsrat vorgestellt. Anfänglich war dieses Projekt eines Chocolariums kleiner dimensioniert – nach etlichen Diskussionen und einer längeren Entstehungsphase entstand dann das Gebäude, das seit dem 1. April 2017 den Besuchern offen steht.
Maestrani hat über zehn Millionen in das architektonisch spektakuläre Besucherzentrum investiert. Das Chocolarium mit seinen vielen Besuchern ist ein grosser Erfolg. Warum?
Unser Ziel war, pro Jahr 100'000 Besucher zu empfangen. Bereits im ersten Jahr durften wir 155'000 Besucher im Chocolarium begrüssen. Ich glaube, dass das Chocolarium ziemlich einzigartig ist. Die Gegend rund um Flawil ist bekanntlich nicht ein Touristenmagnet wie etwa Luzern, Interlaken oder Zürich. Kommt dazu, dass in der Ostschweiz das Angebot an Ausflugszielen vergleichsweise beschränkt ist. Ich bin der Meinung, dass das Chocolarium deswegen so erfolgreich ist, weil wir ein sehr gutes Konzept erarbeitet und mit Partnerfirmen ein äusserst attraktives Programm aufgebaut haben.
Die Schweiz gilt als Schokoladen-Land par excellence. Auf was führen Sie dies zurück?
Das hat natürlich etwas mit der Tradition zu tun. Schokolade, wie man sie früher in Europa konsumiert hat, war eine eher bittere Angelegenheit. Nachdem die berühmten Schweizer Schokolade-Pioniere den Conchier-Prozess, bei dem die Bitterstoffe extrahiert werden, erfunden hatten, entwickelte sich die Schweiz zu einer Pionierin in Sachen Schokolade.
Zum Begriff der «Swissness», der allgegenwärtig ist, möchte ich Folgendes festhalten: die eigentlichen Begründer der «Swissness» sind die Schokoladen- und die Uhrenindustrie. Was die Rohstoffe betrifft, so haben wir sehr hohe Anforderungen, was man als Schweizer Schokolade bezeichnen darf. Dass man beim Thema «Swissness» alles nur auf die Rohstoffe reduziert, aber Aspekte wie die Wertschöpfung und die Innovationskraft nicht berücksichtigt, erachte ich diesbezüglich als falsch.
Sie selber sind seit knapp 30 Jahren mit dem Schokoladen-Markt gut vertraut. Was hat sich in dieser Zeit in der Branche am stärksten verändert?
Als ich erstmals mit der Schokoladen-Branche in Kontakt kam, gab es in der Schweiz noch das Schokoladen-Kartell. Der gesamte Markt war mehr oder weniger auf- oder zugeteilt. Nach dem Wegfall des Kartells begannen die Wettbewerbskräfte zu spielen, und der Schokoladen-Handel hat sich weiter entwickelt und auch stärker konzentriert. Heute haben wir eine sehr fokussierte Schweizer Schokoladen-Handelslandschaft mit den beiden grossen Dominatoren Nestlé und Lindt & Sprüngli, was meines Erachtens weder für uns Hersteller noch für die Konsumenten ein Vorteil ist. Der Wettbewerb ist intensiver und brutaler geworden, es herrscht ein Verdrängungsmarkt. Bedingt durch die massive Marktmacht der beiden grossen Anbieter ist die Situation für den Rest der Marktpartner in letzter Zeit gewiss nicht einfacher geworden. Und noch etwas hat sich verändert: Vor knapp 30 Jahren gab es in der Schweiz kaum ausländische Schokolade, heute liegt der Anteil an ausländischen Schokoladenerzeugnissen bei rund 40 Prozent.
Welche aktuellen Trends beobachten Sie bei der Schokolade?
Trends kommen und gehen – so auch im Schokoladengeschäft. Auf stabilem Niveau gehalten hat sich die dunkle Schokolade mit einem hohen Kakao-Anteil. Die Schokolade neu erfinden kann niemand, aber was die Zutaten betrifft, so hat sich in den letzten Jahren einiges getan, so zum Beispiel Schokolade mit Chili, mit Tee-Extrakten oder verschiedenen Früchten. Ich stelle fest: der Innovationsgrad in der Schokoladenindustrie hat stark zugenommen. Gerade im Schweizer Markt, der total gesättigt ist, ist Wachstum hauptsächlich nur noch durch Innovationen möglich.
Wie halten sie es persönlich mit dem Konsum von Schokolade?
Zuhause versuche ich überhaupt keine Schokolade zu essen. Im Geschäft esse ich Schokolade, wenn Maestrani eine Neuentwicklung lanciert, was sehr oft der Fall ist. Oder ich degustiere Schokolade unserer Konkurrenz. Ich konsumiere Schokolade regelmässig, wenn auch selektiv.
Was fasziniert Sie an Ihrem Job?
Schokolade ist ein unheimlich schönes Produkt! Mit Schokolade kann man Freude bereiten, sie macht glücklich. Mich fasziniert es immer wieder von Neuem, wenn ich in ein Geschäft eintrete und dabei sehe, dass das ein Produkt ist, das wir hergestellt haben. Und wenn ich dann feststelle, dass jemand unser Produkt kauft und Freude daran hat, so ist das für mich eine grosse Befriedigung.