Die hohe Personal-Fluktuation im Einzelhandel wird immer mehr zu einem ernst zu nehmenden Problem. Es gibt zwar etwa mit der Gastronomie noch Branchen mit höheren Fluktuationsraten. Doch gegenüber dem gesamtwirtschaftlichen Durchschnitt ist sie im Detailhandel generell höher. Die Branche leidet zunehmend an einem Arbeitskräftemangel. Diskrepanzen zwischen Branchenabgängen und Brancheneintritten könnten eine Ursache für diesen Mangel darstellen.
Die Rotationsquote, also der Anteil der Beschäftigten, die seit dem letzten Quartal die Branche verlassen haben, liefert zur Einschätzung der Branchenabgänge genauere Informationen. Laut Bundesamt für Statistik betrug im Detailhandel die Rotationsquote im ersten Halbjahr 2022 rund 6,5 Prozent. Dabei waren rund 2,6 Prozent dieser Bewegungen auf Branchenwechsel zurückzuführen, 2,1 Prozent auf Arbeitsmarktaustritte (also beispielsweise Pensionierungen) und 1,7 Prozent auf den Schritt in die Erwerbslosigkeit. Die detailhandelsspezifische Rotationsquote liegt generell leicht über dem Durchschnitt der Gesamtwirtschaft.
Gefangen in einem endlosen Kreislauf aus Anwerbung, Einstellung und Schulung neuer Mitarbeitenden, wenden sich Einzelhändler der digitalen Technologie zu, um diesen Kreislauf zu durchbrechen. Aber ist Technologie angesichts des Ausmasses der Herausforderung wirklich die Antwort? Kann man von Einzelhändlern erwarten, dass sie angesichts der sich so schnell ändernden Prioritäten am Arbeitsplatz die Bedürfnisse ihrer Mitarbeiter mit digitalen Tools besser erfüllen können?
Gründe für die hohe Fluktuation im Einzelhandel
Nichts fördert den Umsatz und die Markentreue mehr als ein freundliches, sachkundiges und hilfsbereites Team von Mitarbeitern an der Verkaufsfront. Da sie im direkten Kontakt mit den Kunden stehen, sind sie entscheidend für das Einkaufserlebnis im Laden. Die Versuchung ist gross, die hohe Fluktuation auf das geringe Engagement und die in der Branche üblichen Stundenlöhne zurückzuführen. Dies ist jedoch möglicherweise nicht die ganze Wahrheit.
Das Bundesamt für Statistik hat in der schweizerischen Arbeitskräfteerhebung die Gründe für Stellenwechsel und Stellensuche erfragt. Bei Austritten aus der Detailhandelsbranche in den letzten Jahren (2016 bis 2022) wurden hauptsächlich die unbefriedigenden Arbeitsbedingungen (47 Prozent) als Grund für den Stellenwechsel genannt, gefolgt vom Wunsch nach Veränderung oder beruflichem Aufstieg (36 Prozent).
Besonders die Nennung unbefriedigender Arbeitsbedingungen ist im Detailhandel im Vergleich zur Gesamtwirtschaft überdurchschnittlich hoch (Gesamtwirtschaft: 43 Prozent). Zudem gaben im gesamtwirtschaftlichen Vergleich überdurchschnittlich viele Beschäftigte im Detailhandel den Lohn als Grund für die Suche nach einer neuen Stelle an.
Ein Wettbewerb über den Stundenlohn allein reicht also nicht aus, um die Aufmerksamkeit der Angestellten im Einzelhandel zu gewinnen, wenn sich die Prioritäten verschieben. Vor allem jüngere Arbeitnehmer legen mehr Wert auf ihr Wohlbefinden und die Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben, und die Arbeitgeber müssen dies in ihren Strategien für Sozialleistungen berücksichtigen.
Bei dem Versuch, das Engagement der Mitarbeitenden zu erhöhen, müssen finanzielle Anreize über die monatliche Standardvergütung hinausgehen. So kann beispielsweise eine höhere Vergütung für Schichten, die wie etwa Feiertage schwer zu besetzen sind, diese Einsatzzeiten attraktiver machen und den Mitarbeitenden das Gefühl geben, wertgeschätzt zu werden.
Technologie fördert Integration
Aus Sicht des Einzelhändlers sind technische Hilfsmittel von unschätzbarem Wert, wenn es darum geht, den Überblick über die Belange der Belegschaft zu behalten und arbeitslose Mitarbeitende mit zeitnahen, relevanten Informationen zu versorgen. Insbesondere Tools für das Zuzuhören und die digitale Kommunikation ermöglichen den Mitarbeitenden eine offene Kommunikation mit dem Unternehmen.
Dadurch fühlen sie sich besser zum Unternehmen zugehörig. Auf diese Weise kann den Mitarbeitenden an vorderster Front gezeigt werden, dass ihre Stimme nicht nur zählt, sondern dass ihre Meinung auch tatsächliche Veränderungen am Arbeitsplatz bewirken kann.
Darüber hinaus gibt es weitere Vorteile, die Arbeitgeber anbieten können, die sich zwar nicht direkt auf das Bankkonto der Mitarbeiterin beziehungsweise des Mitarbeiters auswirken, aber dennoch ein wirksames Instrument zur Mitarbeiterbindung sind. So können beispielsweise Einkaufsrabatte, erweiterte Familienleistungen, flexible Arbeitszeiten und Karriere-Entwicklungsprogramme dazu beitragen, dass sich Einzelhändler positiv abheben.
Für ein besseres Arbeitsplatzerlebnis
Einzelhandels-Mitarbeitende an vorderster Front, vor allem diejenigen, die zu den «Digital Natives» gehören, stellen oft fest, dass ihr Arbeitsplatz nicht so schnell, flexibel und bequem ist, wie sie es gewohnt sind. Mobile Apps und eine Mitarbeitende geführte Zeitplanung sind daher wichtige Instrumente für Einzelhändler, um ihren Mitarbeitenden die gewünschte Kontrolle darüber zu geben, wann und wie sie arbeiten. Ein mobiler Zugriff auf die Dienstpläne mit der Möglichkeit, Schichten zu aktualisieren und sich direkt mit den Kollegen auszutauschen, tragen zu einem angenehmen Arbeitsklima bei.
Für die Führungskräfte im Einzelhandel ist die Überwachung der Personalbesetzung ein ständiges Problem. Einzelhandelsmanager sind für die Einstellung, Befragung und Schulung von neuen Mitarbeitenden verantwortlich und müssen ihr Team motivieren, während sie gleichzeitig den Überblick über Schichtwechsel und Abwesenheiten in letzter Minute behalten. Das ist eine sehr grosse Aufgabe.
Hilfe für Manager an der Front
Technologie, die eine intelligente Planung und Bedarfsprognose ermöglicht und sich wiederholende, aber notwendige Verwaltungsaufgaben automatisiert, kann Einzelhandels-Managern dabei helfen, sich auf die Aspekte ihrer Arbeit zu konzentrieren, die den grössten Mehrwert bringen, die Umsetzung von Überstundenregelungen, die Planung von Mahlzeiten und Ruhepausen für Mitarbeitende und die Festlegung, wie viele Tage pro Woche eine Person arbeiten kann, können mithilfe digitaler Technologie automatisiert und berücksichtigt werden.
Durch den Einsatz von künstlicher Intelligenz und «Machine Learning» können Einzelhändler überdies schnell die Stimmung ihrer Belegschaft einschätzen und herausfinden, wo es Mitarbeitende gibt, die entweder unzufrieden sind oder mehr Unterstützung benötigen. Sie können auch erfahren, wo es Mitarbeiter gibt, die zwar nicht unzufrieden sind, aber Bedenken haben, die sie daran hindern, ihr volles Potenzial bei der Arbeit auszuschöpfen. Und sie können erkennen, wo sie Mitarbeiter an vorderster Front haben, die motiviert sind, mit Energie und Enthusiasmus arbeiten und sich voll in die Arbeit einbringen.
Die Bereitstellung der richtigen Daten zum richtigen Zeitpunkt kann den Managern helfen, eine positive Erfahrung für die Mitarbeitenden zu schaffen und gleichzeitig eine offenere und integrativere Kultur zu entwickeln. Technologie kann auch die strategische Entscheidungsfindung auf Führungsebene verbessern, da mehr Informationen und Daten für längerfristige Planungszwecke zur Verfügung stehen. .
Autor: Laurent Homeyer, Strategic Industry Advisor for Retail and Hospitality bei Workday