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Unternehmen und Märkte

Jelmoli: «Aussergewöhnlicher Mix»

Franco Savastano, CEO von Jelmoli
Bild: Jelmoli

Das Grosse Interview:

Das Zürcher Kaufhaus Jelmoli feiert 2018 sein 185-jähriges Jubiläum. Das renommierte «House of Brands» an der Zürcher Bahnhofstrasse behauptet sich gut im harten Konkurrenzkampf. Im Gespräch mit Franco Savastano, CEO von Jelmoli.

Interview: Robert Altermatt // Das Interview erschien erstmals Ende Oktober 2018 in der Printausgabe von HANDEL HEUTE, Nr. 5-2018.
 

Der «Premium Department Store» Jelmoli ist fast jeder Schweizerin oder jedem Schweizer ein Begriff. Was früher galt, wird bei Jelmoli auch heute angestrebt: das Einkaufen zu erleichtern und zu einem einmaligen Erlebnis zu machen.


Herr Savastano, Jelmoli hat sein umfangreiches und wertvolles historisches Archiv kürzlich dem Stadtarchiv der Stadt Zürich vermacht. Was sind die Beweggründe für diesen Schritt?
Franco Savastano: Unser Archiv befindet sich bekanntlicherweise (noch) in unserer Zentrale in Otelfingen. Dabei ist uns aufgefallen, dass sich niemand von uns adäquat und mit der nötigen Sorgfalt um dieses schöne Archiv kümmern kann. Einerseits, weil wir nicht über die Fähigkeiten in unserem Unternehmen verfügen, schliesslich bedarf es hierfür fachkundigem Personal, andererseits benötigt ein solches Archiv beispielweise auch einen Raum, der ein geeignetes Temperatur- und Feuchtigkeitsniveau aufweist. Die ganze Situation haben wir in der Folge analysiert und sind dabei zum Schluss gekommen, dass es schade wäre, wenn unsere ganze Sammlung mit derart vielen schönen und wertvollen Exponaten für die Öffentlichkeit weiterhin nicht zugänglich wäre. Und so reifte bei uns schliesslich die Idee, dieses Jelmoli-Archiv der Öffentlichkeit zugänglich zu machen, indem wir dieses der professionellen Obhut des Stadtarchivs Zürich übergeben.


Wie leicht fiel Jelmoli die Entscheidung, sich vom eigenen Archiv zu trennen?
Natürlich tut das ein bisschen weh, sich von diesen teilweise wunderbaren Plakaten, Büchern oder Katalogen zu trennen. Andererseits war für uns auch klar: wenn wir dieses Archiv jetzt nicht richtig pflegen, uns von diesem trennen und es professionellen Händen übergeben, riskieren wir in zehn bis 15 Jahren unwiderrufliche Schäden oder gar Verluste an Dokumenten oder Gegenständen. Und genau ein solches Szenario wäre extrem schade, gerade was die Geschichte der Firma Jelmoli betrifft, schade wäre es aber auch um die Bedeutung dieses Archivs für die Stadt Zürich. Als Department Store feiert Jelmoli in diesen Tagen sein 185-Jahr-Jubiläum. Wir sind eines der ältesten Handelsunternehmen in Europa. Darauf sind wir zu Recht auch stolz.


Das Einkaufsverhalten verändert sich seit geraumer Zeit stark. Was denken Sie – wie werden Konsumenten in zehn Jahren einkaufen?
Ich muss hier ein wenig ausholen, Sie gestatten! Wenn es früher ums Einkaufen ging, so waren das in erster Linie Güter, die für zu Hause bestimmt waren wie etwa Kleider, Fernseher oder elektronische Geräte. Heute wird das Einkaufsverhalten sehr stark von der Freizeit beeinflusst. Das heisst für uns als Jelmoli, dass wir heute nicht mehr in Konkurrenz zu unserem Mitbewerber X oder Y stehen, sondern wir stehen im Wettbewerb, beispielsweise mit einem neuen Hotel, einer Wellness-Oase, einem neuen E-Bike oder einer neuen Ausbildung. Das Geld wird heutzutage viel breiter ausgegeben, man könnte auch sagen, dass sich der Handel stark ausgeweitet hat. Das ist die grosse Veränderung im Handel von heute. Und diese Veränderung hat unmittelbar damit zu tun, dass die Freizeit immer wichtiger wird. Die Leute wollen in ihrer Freizeit etwas erleben. Insofern hat sich auch das Einkaufsverhalten stark verändert.


Sie haben in der Vergangenheit immer wieder betont, dass ein Kaufhaus heute ein Unterhaltungsunternehmen sei, nicht aber ein Einkaufsort. Was genau meinen Sie damit?
Unser Auftrag als «Department Store», wie Jelmoli sich nennt, ist es, immer wieder attraktive Neuheiten und Überraschungen zu präsentieren, welche die Kunden dazu stimulieren, etwas bei uns zu kaufen. Unsere Verkäuferinnen und Verkäufer sind unsere Influencer! Immer wieder Neuheiten zu lancieren – das ist im Übrigen nichts Neues, denn bereits Firmengründer Peter Jelmoli verfuhr 1833 nach derselben Devise, als er das erste Jelmoli-Geschäft an der Schipfe eröffnete. Wenn man – wie wir das hier bei Jelmoli tun – Produkte verkauft, ist es wichtig, diese emotionell aufzuladen. Dazu bedarf es (raffinierter) Events. Das können einerseits kleinere, intimere Anlässe mit 30 Personen oder aber Gross-Events mit bis zu 400 Personen sein.

Ausserdem vermieten wir abends unser Department Store, so zum Beispiel können Gäste unsere Restaurants für ein exklusives Weihnachtsessen mieten. Wir vergrössern so den Horizont unseres Hauses mit neuen Ideen. Der grosse Vorteil dabei ist, dass wir damit nicht dieser Preisspirale ausgesetzt sind. Wir kurbeln unser Geschäft nicht mit Rabatten an, sondern steigern es mit Innovation und Emotion.


Was stellt Ihres Erachtens heute die grösste Herausforderung für einen Retailer dar?
Die grösste Herausforderung ist sicherlich die Preisharmonisierung in Europa. Für viele grosse Marken und Firmen ist die Schweiz im Vergleich mit Deutschland und Frankreich ein kleines Land. Durch den Online-Handel und die damit verbundene Preistransparenz werden die Preise künftig noch stärker unter Druck geraten. Wir haben es in der Schweiz bereits heute mit Preisanpassungen zu tun. Eine Knacknuss ist dies inbesonders, weil wir eine ganz andere Lohnstruktur haben als zum Beispiel in Deutschland, Frankreich oder in Italien.


Was macht Jelmoli in Ihren Augen einzigartig?
Der Mix, den wir bei Jelmoli anbieten, ist aussergewöhnlich. Am Jelmoli-Standort an der Zürcher Bahnhofstrasse haben wir insgesamt neun Restaurants, wir führen unter anderem eine Herren- und Damenwelt oder wir haben eine Kinder- und Sportwelt. Innerhalb unserer total 14 unterschiedlichen Jelmoli-Welten ist es unser Anspruch, der führende Player zu sein. Wenn Sie als Kunde bei uns in der Reisewelt verweilen, so dürfen Sie davon ausgehen, dass Sie stationär die grösste Auswahl in  der Region vorfinden und auf eine kompetente Beratung stossen werden.


Kundennähe ist Ihnen bei Jelmoli sehr wichtig. Was genau verstehen Sie unter diesem Begriff?
Verglichen mit anderen Retailern im Ausland haben wir hier eine hohe Dichte an Verkäufern pro Quadratmeter, was sich automatisch auf eine grös­sere Kundennähe auswirkt. Ein anderer Punkt ist unser gut durchmischtes Kundenspektrum: Wir haben neben jungen auch sehr viele «reife» Kunden. Dasselbe trifft auch auf unsere Verkäuferinnen und Verkäufer zu. Wir ­erleben es oft, dass sich Kunden mit einem bestimmten Typ einer Verkäuferin oder eines Verkäufers identifizieren wollen. Insofern versuchen wir, eine möglichst grosse Übereinstimmung zwischen der Ware und der Verkaufsperson zu schaffen.


Jelmoli wird – neben dem etablierten «House of Brands» an der Zürcher Bahnhofstrasse – ab 2020 im «The Circle» am Flughafen Zürich einen neuen Standort eröffnen. Wie ist diesbezüglich der aktuelle Status Quo?
Am Flughafen Zürich werden wir im Jahr 2020 präsent sein. Im «The Circle» werden wir zwei Jelmoli Brand Houses kreieren – einerseits ein Sports Brand House, in dem man nicht nur Sportartikel einkaufen kann, sondern Sport in unterschiedlichsten Facetten auch wird erleben können. Das andere Brand House wird ein Lifestyle-Haus für Damen und Herren sein. Die Idee dahinter wird sein, das Beste aus dem «House of Brands» von der Bahnhofstrasse anzubieten – und dazu werden wir zusätzlich neue Retail-Möglichkeiten anbieten. Im Retailbereich werden das nicht nur neue Technologien, sondern auch neue Formen sein. Eine der wichtigen Formen wird sein, dass die Läden viel öfter nicht nur ihr Sortiment, sondern auch ihren Standort innerhalb des Laden wechseln werden. Im stationären Bereich müssen und werden wir dynamischer auftreten. Wie eine Website, die schnell ausgetauscht und angepasst werden kann, müssen wir eine solche Dynamik im Retailbereich auch an unseren Standorten umsetzen.


Was erhoffen Sie sich von der neuen Lokalität am Flughafen?
«The Circle» wird eine Stadt in der Stadt sein. Wir gehen davon aus, dass wir unseren Kundenkreis damit vergrössern können, weil wir ein internationales Publikum sowie neue Kunden aus der Deutschschweiz ansprechen werden.


Bald steht wieder der Black Friday an. Sie persönlich begegnen diesem Schnäppchen- und Sonderangebots-Tag mit grosser Skepsis. Weshalb?
Der Black Friday entstand bekanntlich um das Jahr 1952 herum in den USA als Start zur Weihnachtskaufsaison am Freitag nach dem Thankgiving-Fest. In Europa hat dieses Phänomen zuerst 2011 in Grossbritannien Fuss gefasst. In der Schweiz etablierte sich dieser Shopping-Event 2015. Unsere Meinung dazu: Wir sehen dahinter keinen Sinn. Für Department Stores sind die Monate von September bis Dezember die umsatzstärksten. Verkauft man jetzt als Händler beispielsweise an einem Tag wie dem Black Friday einen Artikel mit 20 bis 30 Prozent Rabatt, kann das im Hinblick auf die Preisentwicklung sehr gefährlich sein. Bei Premium- und Luxusprodukten zum Beispiel können sich Rabatte von 20 bis 30 Prozent ausserdem negativ auf das Marken-Image auswirken. Abgesehen davon ist es für den Händler schwer, das Produkt danach wieder zum Marktpreis anzubieten. Ich stelle fest: Diejenigen Akteure, die sich bei der Rabattschlacht an einem Black Friday beteiligen, können sich davon fast nicht mehr lossagen, weil sich ein gewisser Kundenkreis an diese Form solcher Preisnachlässe gewöhnt hat. Und diejenigen Kunden, die über Geld verfügen und Geld auch ausgeben wollen, fühlen sich dabei über den Tisch gezogen. Ich wage zu behaupten: wer am Black Friday mitmacht, ruiniert sich die ganze Saison.

Jelmoli hat sich aus oben genannten Gründen ganz bewusst nie am Black Friday beteiligt. Im vergangenen Jahr haben wir bei Jelmoli just am Black Friday 40 Prozent mehr Umsatz generiert. Die Gründe dafür sehe ich darin, dass an diesem Tag im November in der Stadt Zürich enorm viele Kunden unterwegs waren – und dabei auch bei Jelmoli einen Halt eingelegt haben, nicht zuletzt deswegen, weil wir schöne Produkte anbieten. Als Retailer müssen wir dem Kunden die beste Auswahl zum besten Preis anbieten, dann kauft der Kunde auch.


Wie sieht es mit Ihrem persönlichen Einkaufsverhalten aus? Mehrheitlich stationär, oder auch online?
Ich kaufe eigentlich fast alles hier in unserem Department Store ein, stationär wohlverstanden. Schliesslich haben wir derart gute Einkäuferinnen und Einkäufer bei Jelmoli, dass ich hier grösstenteils immer fündig werde! Online kaufe ich hingegen nur sehr selten ein. Was ich auch praktiziere, und das sehr häufig, allerdings ohne einzukaufen: Ich schaue, wie unsere Mitbewerber das Ganze handhaben und umsetzen, dies nicht zuletzt, um in Sachen «Department Stores» auf dem neuesten Stand zu sein.

 

Was fasziniert Sie täglich an Ihrem Job?
Ich bin in der privilegierten Lage, dass ich etwas tue, das ich sehr gerne mache. Ein anderer wichtiger Punkt ist, dass ich mit Menschen zusammenarbeiten darf, die für eine Idee einstehen und die ihr Herzblut dafür hergeben. Am meisten gefällt mir, dass man mit seinen Mitarbeitenden gemeinsam etwas anstossen und bewegen kann. Etwa, wenn Kunden sagen: «Hey, die von Jelmoli sind cool. Die geben sich echt Mühe, da steckt Spass und Innovation dahinter. In dieses Haus musst Du gehen.» Genau solche Sachen faszinieren mich an meiner Arbeit.