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Unternehmen und Märkte

Interview mit Victorinox-Chef Carl Elsener über die Expansion seiner Marke

Carl Elsener (Bild: Victorinox).

Carl Elsener verrät HANDEL HEUTE, was seine Lieblingsprodukte sind und wie es zum grossen Ausflug in die Welt des Fashion kam – und wohin die Reise von Victorinox noch gehen soll.

Herr Elsener, Ihr Unternehmen hat im Jahre 1891 mit der Produktion von Sackmessern angefangen. Schauen Sie gerne zurück?

Sicher. 1891 erfolgte die erste Lieferung von Soldatenmessern an die Schweizer Armee. Victorinox war aber schon 1884 mit der Eröffnung einer Messerschmiede in Ibach-Schwyz gegründet worden.

 

Inzwischen ist das Swiss Army Knife weltberühmt. Wie kam es dazu?

Ausschlaggebend war die hohe und gleichbleibende Qualität unserer Messer. Das überzeugte Konsumenten auf der ganzen Welt. Hinzu kam, dass wir immer mehr Funktionen für unsere Messer kreierten. Unsere Fachleute in Ibach sprudeln vor Ideen. So entwickelten sich die Messer in der grössten Version hin zu eigentlichen Multifunktionsgeräten, sind aber in den verschiedenen Standardausführungen nach wie vor die beliebtesten Begleiter.

 

Victorinox steht heute nicht nur für Messer...

Wir kamen zur Überzeugung, dass wir die Marke Victorinox auch sichtbar machen und in sie investieren müssen. Dies konnte so geschehen, dass wir unsere Palette mit Produkten erweiterten, die leicht wahrgenommen werden.

 

Was unternahmen Sie in diese Richtung?

Wir führten Umfragen bei unseren Kunden durch. Die Ergebnisse waren deutlich. Outdoor-Aktivitäten und Reisen wurden einen hohen Stellenwert beigemessen. Ausserdem wurden Schweizer Qualität und Beständigkeit stark assoziiert mit Uhren. Daraufhin stieg Victorinox mit dem damaligen US-Vertriebspartner ins Uhrengeschäft ein.

 

Bekanntlich ein Erfolg!

Es hat sich gezeigt, dass unsere Kunden, die das Messer kannten, ihr Vertrauen vorbehaltlos auf unsere weiteren Produkte übertrugen. Dass sich der Geschäftszweig Uhren so gut entwickelte, überraschte uns angenehm. Innert vier Jahren erzielten wir damit in den USA fast 40 Millionen Umsatz. Für uns als mittelgrosses Unternehmen war das sehr eindrücklich – ein Beweis, wie bedeutsam die Marke Victorinox geworden ist und wie gut sie funktioniert.

 

Es kamen ja weitere Produkte dazu!

Ja. Eine Firma aus den USA, die auf sogenanntes High-End Reisegepäck spezialisiert war, kam auf uns zu. Als erfolgreiche Marke waren wir für sie ein interessanter Partner. Im Jahre 1999 unterzeichneten wir eine entsprechende Lizenzvereinbarung. Auch dieser Bereich entwickelte sich erfreulich. Mit der Gründung der neuen Geschäftseinheit Victorinox Travel Gear AG betreuen wir seit August 2014 nun auch unser Reisegepäck in eigener, direkter Verantwortung.

 

Wie kamen Sie auf den Fashion-Bereich?

Alle bisherigen Produkte waren quasi Begleiter: das Taschenmesser im Hosensack, die Uhr als Zeitangabe am Handgelenk und die Koffer auf der Reise. Wir suchten nun nach dem, womit diese Begleiter optimal zur Geltung gebracht werden könnten. Das war Bekleidung. 2001 kamen wir mit unserer ersten Kollektion auf den Markt. Heute lancieren wir zweimal pro Jahr eine Bekleidungskollektion, welche die Philosophie von Victorinox repräsentiert – Qualität, Funktionalität, Innovation und Design.

 

Nach der Lancierung der Fashion-Kollektion kamen die Anschläge von 9/11. Hatten diese Auswirkungen auf das Geschäft von Victorinox? 

Ja, vor allem im Messer-Bereich. Die Terroranschläge haben uns dramatisch gezeigt, wie gefährlich es für ein Unternehmen sein kann, wenn es nur auf ein Produkt setzt. Obwohl wir uns damals schon diversifiziert hatten, war das Taschenmesser immer noch mit grossem Abstand unser Standbein. Die Ereignisse von 9/11 haben uns motiviert, unsere neuen Produktekategorien vorwärts zu treiben und weiter in diese zu investieren. 

 

Wie ist Ihre Bekleidungslinie positioniert? 

Die Marke Victorinox verpflichtet. Wir sprechen eine Zielgruppe an, die auf gute Qualität und Beständigkeit achtet. Sie ist für Menschen geschaffen, die im Alltag, auf Reisen und beim Sport Wert auf funktionale Bekleidung mit einem guten Preis-/Leistungsverhältnis legen. Wer Victorinox trägt, ist gut gekleidet und fühlt sich wohl.

 

Welche Märkte sprechen besonders positiv auf Ihre Bekleidung an?

In Nordamerika, Südamerika und Asien, wo die Marke Victorinox seit jeher stark ist, sind wir als Premium Brand sehr erfolgreich. Auch in Teilen Europas setzt sich unser Bekleidungsangebot immer besser durch.

 

Reist man durch Asien, findet man in fast jedem Dorf zwei Dinge: eine Karaoke Bar und ein Swiss Army Knife.

Ja, es ist faszinierend! Menschen von überall erzählen uns ihre Erfahrungen mit dem Messer, z.B. von Expeditionen am Nordpol. Diese Geschichte und viele mehr sind in einem kleinen Buch zusammengefasst. Die allererste Geschichte, die wir erhalten haben, wurde 1978 im Reader`s Digest veröffentlicht.

 

Ich bin gespannt, bitte erzählen Sie!

Auf einem Flug in Amerika ist ein Mädchen fast an einem Bonbon erstickt. Das Flugpersonal versuchte, mit der Sauerstoffmaske zu helfen. Vergebens. Zum Glück war ein Arzt an Bord. Er sagte, das Kind brauche sofort einen Luftröhrenschnitt. Doch niemand hatte ein Skalpell dabei. "Hat jemand ein Taschenmesser bei sich", fragte der Arzt. Jemand reichte ihm ein Victorinox-Taschenmesser. Der Arzt führte mit der kleinen Klinge den Luftröhrenschnitt aus und rettete dem Mädchen das Leben.

 

Haben Sie noch eine weitere Geschichte?

Es ereignete sich in Australien. Eine Familie fuhr mit dem Auto in einen Fluss, der leider nicht so seicht war, wie angenommen. Das Auto sank tiefer und tiefer. Vater und Mutter konnten raus, doch ein Kind sass im Gurt fest. Ein Student, der zufällig vorbei kam, zückte sein Victorinox Sackmesser, schnitt den Gurt durch und befreite das Mädchen.

 

Sie haben eigene Victorinox Stores – wie viele sind es total?

Weltweit haben wir 80 Stores, sind aber stetig am Wachsen. Am stärksten wachsen wir momentan in Asien.

 

Worauf konzentrieren Sie sich bei der Wahl der Stores?

Wichtig ist die Lage; sie muss stark frequentiert sein. Wir fokussieren uns im Moment intensiv auf Nordamerika und Asien. Und auf Flughäfen. In China und Hongkong sind wir in den Flughäfen sehr präsent.

 

Welche Idee steht hinter dem Shop-Konzept am Rennweg in Zürich?

Die sechs Produktekategorien sollen in der Welt von Victorinox präsentiert werden. Die Umgebung symbolisiert die unverkennbar klassischen Merkmale der Marke: Eichenholz steht für Tradition, Stahl für die Basis der Messerfertigung, Beton verkörpert die Moderne und Rot repräsentiert das Swiss Army Knife. Die ganze Aufmachung ist dem Kernprodukt von Victorinox gewidmet, nämlich dem Kult gewordenen Swiss Army Knife.

 

Ist der neue Flagship-Store am Rennweg in Zürich somit eher ein strategisches Investment?

Ja klar. Für uns war Zürich wirklich ein strategischer Entscheid. Die Marke Victorinox soll sichtbar werden und zwar in ihrer wunderbaren Vielfalt. Noch sind auch in der Schweiz die neueren Produkte von Victorinox nicht allen bekannt.

 

Wie sehen Sie sich als Unternehmer?

Die grösste Motivation ist zu sehen, dass wir unsere Kunden mit unseren Produkten zufriedenstellen können. Ich hatte das Glück, während 34 Jahren mit meinem Vater zusammenarbeiten zu können und von seiner reichen Erfahrung zu profitieren. Er hat immer gesagt "Ein Unternehmen, das langfristig erfolgreich sein will, muss sich auf drei Kernbereiche konzentrieren: die eigenen Mitarbeiter, die Kunden, die Produkte." Sein Grundsatz hat sich bewährt! Es freut mich jedes Mal, wenn ich durch den Betrieb gehe und sehe, wie mit Freude gearbeitet wird. Es spornt mich an, wenn mir Kunden zu den tollen Produkten und zum guten Service gratulieren. Hat ein Kunde negative Erfahrungen gemacht, nehme ich mich persönlich des Falles an. 

 

Wirklich persönlich?

Wenn das Problem an mich herangetragen wird, ja. Ich habe soeben mit einem Kunden aus Brasilien gemailt. Er wollte ein bestimmtes Messer kaufen, bekam aber die Information, diese Ausführung sei in Brasilien nicht erhältlich. Ich liess ihm durch unsere Tochterfirma in Brasilien dieses Messer als Geschenk zukommen. Es ist mir wichtig, dass unsere Kunden zufrieden sind und dass sie unsere Begeisterung teilen können.

 

Ihr Lieblingsprodukt neben dem Messer ist... 

...die Victorinox-Uhr. Auch, weil wir die Uhren in der Schweiz produzieren können. Die Produkte sprechen für unsere Schweizer Werte.

 

Die Schweizer Produktion ist... 

...für das Taschenmesser ein Must. Es ist so stark mit Swiss Made verbunden, dass es gar nicht in Frage kommt, im Ausland zu produzieren. Wir setzen alles daran, dass wir das Swiss Army Knife auch in den nächsten 130 Jahren in der Schweiz produzieren können.

 

Als Patron ist mir wichtig...

...dass wir unsere Energie und Kraft in die drei wichtigsten Bereiche stecken: In unsere Mitarbeiter, unsere Kunden und unsere Marke.

 

Herr Elsener, besten Dank für das spannende Interview.