In seiner Eröffnungsrede wies der scheidende SFF-Präsident Rolf Büttikerdarauf hin, dass sich das emotional wohl am stärksten besetzte Lebensmittel, nämlich Fleisch, weiterhin im Brennpunkt zahlreicher, gesellschaftlich stark umstrittener Themenbereiche befinde. Dazu gehörten Umwelt und Nachhaltigkeit, Tierschutz und Tierwohl, Vegetarismus, Veganismus, Ernährung und Gesundheit, Deklaration und Täuschung, Regionalität und Rückverfolgbarkeit. All diese Diskussionen, so Büttiker, würden jedoch zu nichts führen, wenn das besonders vielseitige Fleischsortiment bei der Kundschaft keinen Anklang finden würde. Dem sei glücklicherweise nicht so, verfüge die Schweiz doch über Fleisch und Fleischprodukte von einer ausgesprochen hohen Qualität. Als für den anhaltenden Verkaufserfolg erfolgsentscheidend erweist sich nach Ansicht des SFF-Präsidenten nebst einem geeigneten Standort vor allem auch das Erkennen bzw. Kennen von Kundenbedürfnissen und Konsumtrends in Kombination mit einem ehrlichen und glaubwürdigen Auftritt sowohl des Unternehmens als Ganzes wie auch der einzelnen Personen. Dies unabhängig vom Verkaufskanal.
Das Thema Essen polarisiert immer mehr
Dr. David Bosshart, CEO des GDI in Rüschlikon, zeigte den Teilnehmenden auf, dass die Angebots- und Vertriebsvielfalt noch nie so gross war wie heute. Und noch kaum je habe man sich so facettenreich ums Essen und Trinken gekümmert. Gleichzeitig seien wir, so Bosshart, bezüglich unserer Ernährung kritisch und skeptisch, euphorisch und engagiert wie noch nie. Lifestyle und Politik, ja Ideologie, flössen zusammen. «Essen ist inzwischen mehr als Kultur, es ist Kult». Aus Fans würden Fanatiker. Der Kampf gehe nicht mehr nur um Food, sondern um die neusten Superfood Produkte und Ernährungserkenntnisse, die das Leben glücklicher machen sollen. «Essen polarisiert, genauso wie die gesellschaftliche Polarisierung zugenommen hat. Der Innovationsdruck nimmt zu und die Sehnsucht nach qualitativ hochwertigen, authentischen und bezahlbaren Produkten erhöht sich. Digitalisierung kann überall als Treiber und Unterstützer dieses Wandels wirken».
Stationärer Handel steht unter Digitalisierungsdruck
Diesen Faden nahm Professor Thomas Rudolph in seinem Referat auf. Seine Ausführungen drehten sich um die Tatsache, dass sich in den letzten Jahren durch die laufende Digitalisierung und die damit verbundene zunehmende mobile Internetnutzung das Kundenverhalten nachhaltig verändert hat. So eminent die Gefahren, die sich dem Handel durch das Internet böten auch seien, so gross seien auch die Chancen, die sich durch diesen neuen Kanal eröffneten. Dass der stationäre Kanal nicht tot sei, bewiesen die neusten Entwicklungen unter den Online-Händlern. In zunehmendem Masse seien diese auch mit stationären Läden präsent. Der Beweggrund für diese Entwicklung seien, so Professor Rudolph, vor allem die positiven Synergien, welche sich durch die Verknüpfung von online- und offline-Kanal, dem sogenannten Cross-Channel-Handel, ergäben. Selbst KMU’s könnten davon profitieren.
Museumslandwirtschaft versus Massentierhaltung
Erfolgreiche Kommunikation zwischen Fleischfachleuten und Konsumenten war das Thema vonDr. Johannes Simonsvon der Universität Bonn. In seinem Referat plädierte er dafür, bei der Entwicklung einer gezielten Kommunikation stets auch die Perspektive des Verbrauchers einzunehmen. Die Bilder, welchen die Konsumenten ausgesetzt seien, seien durch zwei Schemata gegliedert: Die Bilder der «Museumslandwirtschaft» seien auf eine heile Welt der Tierhaltung und der mit der Tierhaltung befassten Personen ausgelegt. Charakteristisch, so Simons, sei ein wertschätzender Umgang mit den Tieren, der als «fairer Deal“ zwischen Haltern und Tieren wahrgenommen werde. Dieser «Museumslandwirtschaft» stehe die Massentierhaltung gegenüber. Der Umgang mit den Tieren werde bei letzterer als nicht wertschätzend und als tierquälerisch wahrgenommen. Insbesondere im Zusammenhang mit dem geringen Wissen liessen sich bei der Tierhaltung Schreckensphantasien entwickeln. Im Rahmen der Kommunikation sollten die Probleme der Verbraucher anerkannt und Aktivitäten zur Lösung der Probleme herausgestellt werden. Beim Verkauf und Verzehr von Fleisch sollte der Kunde entscheiden, wieviel er wissen wolle. Für die Wirkung der Kommunikation spiele nicht nur eine Rolle, was gesagt werde, sondern auch wer das sage. Eine Zusammenarbeit des Fleischsektors mit den Tierschutzorganisationen erleichtere die Herstellung von Glaubwürdigkeit.
Metzgerei Hatecke: Metzgerei der anderen Art
Einer, der die Vermarktung seiner Produkte seit Jahren, vor allem durch perfekte Produkt- und Markenauftritte im stationären Bereich und im Web beherrscht, ist der Engadiner Metzger Ludwig Hatecke. Ausgehend von einer im Jahr 1930 im 300-Seelen-Dorf Ramosch gegründeten Metzgerei schaffte er es in dritter Generation, durch Innovation, Qualität und ein hervorragendes Marketing seinen Produkten Kultstatus zu verleihen. Mittlerweile verfügt die Bacharia Hatecke ausgehend vom Hauptstandort in Scuol auch über Verkaufsgeschäfte in Zernez, St. Moritz und seit Neuestem auch in bester Lage in der Innenstadt von Zürich.
«Mit dem Bau unseres neuen Verkaufsladens im Center Augustin in Scuol wurde mir bewusst, dass abgesehen von guter Qualität, auch eine spezielle Gestaltung der Geschäfte und das Kreieren einzigartiger Produkte mit dessen Verpackung für einen Erfolg nötig sind. Die Räumlichkeit wurde architektonisch mit hochwertigen Materialien und dennoch schlicht ausgestaltet. Die Architektur sollte einen wichtigen Anteil an unserem Erscheinungsbild haben, weshalb schon seit über 20 Jahren immer derselbe Architekt zum Zuge kommt. Hochwertig und zeitlos eingerichtete Geschäfte sind Zeitzeugen, erzählen unsere Geschichte und stehen für Kontinuität und Zuverlässigkeit».
Inwieweit dieses sehr erfolgreiche, hauptsächlich auf den stationären Auftritt und Vertrieb von gestylten Spezialitäten sowie einen bildlich hervorragend dotierten Webauftritt bauende Konzept durch die an Fahrt gewinnende Digitalisierung beeinflusst wird, wird die Zeit zeigen.
Schlussfazit der der 18. Fleisch-Fachtagung
In seiner abschliessenden Zusammenfassung brachte SFF-Präsident Rolf Büttiker die wesentlichen Erkenntnisse der 18. Fleisch-Fachtagung auf den Punkt:
- Eine hohe Produktequalität sowie gute Standortbedingungen sind für einen erfolgreichen Fleischverkauf von zentraler Bedeutung. Abstriche in diesen beiden Bereichen lassen sich beim Fleischverkauf selber nur noch zum Teil kompensieren
- Essen polarisiert und wird immer mehr zum Kult. Der Aufbau von Vertrauen verläuft nicht mehr durch die Geschäfte selber, sondern immer mehr über Peers und Menschen, die ähnlich ticken. Dies erfordert zunehmend Transparenz. Auch nimmt der Innovationsdruck stetig zu, wobei die Digitalisierung als Treiber und Unterstützer des Wandels dienen kann
- Die Kunden verbringen immer mehr Zeit online und kaufen entsprechend mehr übers Internet ein, insbesondere auch in Form des unverändert ansteigenden online-Einkaufstourismus. Umgekehrt bietet das Internet aber klar auch Chancen für die KMU’s, sei dies über die Schaffung von neuen Verkaufskanälen bzw. die Weiterentwicklung von stationären Läden. So erlangen letztere auch aufgrund von enttäuschten Serviceversprechen bei Lieferungen übers Internet, aber durch die Nutzung von Synergien mit online-Kanälen vermehrt wieder an Bedeutung
- Der Konsument sieht die Tierhaltung im Wesentlichen unter den beiden Aspekten Massentierhaltung bzw. Museumslandwirtschaft. Bedingt durch die oft grosse Distanz zur Tierhaltung ist das Fachwissen der Konsumenten vielfach gering, die Diskussionen verlaufen aber dennoch sehr emotional. Die Kommunikation am Verkaufspunkt sollte glaubwürdig, aber dennoch zurückhaltend sein, so dass der Kunde selber entscheiden kann, was und wieviel er wissen will.
- Mit einzigartigen, hochqualitativen Produkten präsentiert in charakteristischen Verpackungen und einer schlichten, zeitlosen Gestaltung der Verkaufsräumlichkeiten lassen sich an geeigneten Lagen auch im heutigen Fleischmarkt erfolgreich Nischen in ausgewählten Teilmärkten besetzen