Dieses Interview wurde erstmals in der HANDEL-HEUTE-Printausgabe, Nummer 3-2018, publiziert.
Interview: Robert Altermatt
HANDEL HEUTE: Im vergangenen Jahr hat Volg erstmals einen Online-Shop lanciert. Welche Erfahrungen haben Sie bisher damit gemacht?
Ferdinand Hirsig: Was unseren Online-Shop «volgshop.ch» betrifft, so wurden wir nicht gerade überrannt (lächelt). Klar ist, wir befinden uns im Lebensmittel-Sektor und nicht im Textil- oder Schuhmarkt. Die Erfahrungen, die wir bisher gemacht haben, sind folgende: Es ist relativ schwierig, das Ganze zu handeln, weil das Angebot beschränkt ist. Der Kunde im Lebensmittelbereich ist nach wie vor – und wie ich meine Gottseidank – stark auf das Haptische, sprich auf seine Nase, auf die Augen und auf seine Hände ausgerichtet. Unsere wichtigste Erfahrung ist, dass der Volg-Online-Shop funktioniert. Die Bestellprozesse und die Auslieferung der Produkte durch die Schweizerische Post klappen einwandfrei. Für uns das allerwichtigste ist, dass wir im Online-Geschäft mit dabei sind, dass wir dabei stetig dazulernen und dass wir punkto technologische Entwicklung und Digitalisierung auf der Höhe der Zeit sind.
Hat das neue Online-Angebot der Volg-Gruppe auch neue Kunden gebracht?
Im Kleinstrahmen ja, aber dass dadurch markant neue Kunden zu uns gestossen sind: nein.
Wie sieht es generell mit der Expansion in die Westschweiz aus, ist Volg diesbezüglich auf Kurs?
Im deutschsprachigen Gebiet des Oberwallis – einschliesslich der Region Goms – sind wir gut aufgestellt. In frankophonen Teil der Westschweiz wachsen wir kontinuierlich. Ich stehe jetzt seit 18 Jahren der Volg-Gruppe vor, und wenn ich zu den Anfängen zurückblicke, so kam nach dem Aus von Usego die Entwicklung von Volg in der Romandie anfänglich nur schleppend voran. Heute zeigt sich in Sachen Volg und Romandie ein völlig anderes Bild: in Bezug auf unsere Marktabdeckung in der Westschweiz sind wir gut positioniert. Ich stelle fest, dass wir unser Kleinflächennetz in der Westschweiz im Griff haben.
Mittlerweile sind in vielen Volg-Dorf- und Partnerläden Postagenturen eingerichtet. Wie kommen diese Agenturen bei den Kunden an?
Dieses Angebot kommt bei der Kundschaft sehr gut an. Mit Ausnahme von Bareinzahlungen, die man in den Agenturen nicht vornehmen kann, lassen sich in den Agenturen eine Vielzahl an Transaktionen erledigen. Matchentscheidend für die Akzeptanz der Postagenturen sind heute deren lange und flexible Öffnungszeiten. Wir dürfen in diesem Zusammenhang nicht vergessen, dass früher in gewissen Randregionen die Poststelle jeweils am Vormittag und am Nachmittag nur während einer Stunde geöffnet war. Wollte man als Kunde sein Paket abholen, so musste man am Arbeitsplatz extra freinehmen. Das ist heute zum Glück anders.
Weshalb schenken Sie dem Aspekt der Regionalität bei Volg eine ganz besondere Beachtung?
Ganz einfach: weil wir im Dorf zu Hause sind. Wir bei Volg bewegen uns in der Nische der Nähe. Einerseits ist damit die geografische Nähe gemeint: die Kundin/der Kunde kann den Volg-Laden zu Fuss, mit dem Velo oder dem Kinderwagen aufsuchen und dort Dinge des täglichen Bedarfs einkaufen. Zweiter Aspekt bei Volg ist die emotionale Nähe: Man kennt sich, man spricht die gleiche Sprache. Der typische Volg-Kunde spricht am Montag im Volg-Laden nicht vom klassischen Konzert im KKL Luzern, sondern von der Tombola, von der Dorf-Theateraufführung oder vom Lotto-Match. Wir sind im Dorf zu Hause, wir sind wirklich ein Nahversorger. Viele Leute, die bei uns im Volg-Laden arbeiten, wohnen übrigens auch im entsprechenden Dorf.
Die grossen Player der Branche, Coop und Migros, sind seit geraumer Zeit daran, sich mit kleineren Läden ebenfalls als Nahversorger zu positionieren? Wie gehen Sie damit um?
Dass sich die beiden als Nahversorger in Stellung bringen, war zu erwarten. Nachdem wir vor rund 17 Jahren damit begonnen haben, Volg als Nahversorger im Markt zu etablieren, wurden wir während langer Zeit von unseren grossen Konkurrenten eher etwas belächelt. In den letzten drei Jahren ist ihnen bewusst geworden, dass man im Lebensmittelbereich auch auf der kleinen Fläche Geld verdienen kann. Seither gibt es auch seitens der Mitbewerber verschiedene Formate wie Tankstellenshops, Bahnhofläden etc. Für Volg bedeutet das wiederum, dass wir unser Konzept noch besser machen müssen. Konkret: Wir müssen künftig nochmals frischer und freundlicher auftreten, noch näher bei der Kundschaft sein und wettbewerbsfähig bleiben.
Bei den Produktpreisen gehört Volg zu den teureren Detailhändlern in der Schweiz. Was sind die Gründe?
Dass wir etwas teurer sind, hat zwei Gründe. Einerseits haben wir verhältnismässig hohe Logistikkosten. Wir fahren täglich rund 930 Läden an und liefern bis ins hinterste Tal und in abgelegene Bergdörfer. Punkt zwei ist, dass wir im Einkauf nicht die gleich grossen Volumina wie die Grossverteiler erreichen. Diese haben aufgrund der höheren Volumina bei den Lieferanten schlicht bessere Konditionen. Preislich orientieren wir uns an Coop, sind aber wegen der Kosten etwas teurer.
In welchen Bereichen sehen Sie für Volg weitere Wachstumsmöglichkeiten?
Was neue Standorte anbelangt, so führen wir eine Liste mit weissen Flecken. Auf dieser Liste sind Gemeinden aufgeführt, in denen wir Expansionspotenzial orten. Damit meine ich Dörfer, in denen es beispielweise nur noch eine Bäckerei oder sogar gar keinen Laden mehr gibt. In der Deutschschweiz stehen auf dieser Liste rund 30 Ortschaften, in der Westschweiz sind es aktuell etwa 35 Gemeinden. Wir werten diese Liste aus, mit dem Resultat, dass wir jeweils pro Jahr zwischen sechs und zehn neue Läden realisieren. Weiteres Wachstumspotenzial ist die Mund-zu-Mund-Propaganda: Die Marke Volg ist bei den Leuten immer beliebter. Beispielsweise kommt unser Slogan «frisch und fründlich» beziehungsweise «frais et sympa» auch in der Westschweiz immer besser an. Freundlichkeit wird auch in der Romandie sehr geschätzt.
Volgs Spezialität sind bekanntlich die Dorfläden. Wären in naher Zukunft allenfalls Läden in Stadtquartieren für Volg eine zumindest denkbare Option?
Nein, das ist definitiv keine Option. Wenn wir beabsichtigen würden, Läden in der Stadt aufzumachen, so müssten wir uns definitiv ein anderes Konzept ausdenken. Volg verfolgt ein Dorfkonzept. Denkbar wären allenfalls Quartierkonzepte an spezifischen städtischen Standorten. Und wenn ich an Spar denke, so richtet sich deren Angebot ganz klar an ein urbaneres Publikum. Nochmals: Volg ist und bleibt ein Dorfladen-Modell. Stellen Sie sich einen Volg-Laden am Zürcher Paradeplatz vor: Das wäre vielleicht für ein paar japanische Touristen interessant, aber es passt genauso wenig, wie einen Prada-Shop zuhinterest im Muotathal zu eröffnen…
Warum ist Volg bei vielen Kunden gut akzeptiert?
Kurz gesagt: Weil wir nahe bei den Kunden sind. Wir bei Volg leben diese Werte täglich. Wir machen genau das, was wir vorleben. Unsere Kundschaft nimmt Volg als sehr authentisch wahr.
Der Online-Einkauf von Esswaren hat bei uns einen eher schweren Stand.
In Grossbritannien jedoch werden massiv mehr Lebensmittel im Internet eingekauft als bei uns. Was sagen Sie dazu?
Erstens sind Grossbritannien, aber auch Frankreich in Sachen Ladendichte auf dem Land ganz anders strukturiert als die Schweiz. Hierzulande gibt es fast an jeder Ecke einen Laden. In der Schweiz sind wir ganz klar «over stored». Die Konsumenten in der Schweiz müssen für den Lebensmittel-Einkauf nicht die grossen Distanzen überwinden, wie das beispielsweise in Grossbritannien der Fall ist. Der zweite Aspekt ist, dass Grossbritannien und Frankreich anders als die Schweiz ticken. Und wenn ich insbesondere Grossbritannien genauer unter die Lupe nehme, so assoziiert man damit in erster Linie die Grossmetropole London. Nehmen wir in diesem Zusammenhang das Beispiel Amazon. Amazon Fresh wird Erfolg haben in Grossstädten wie London, Berlin, München oder Zürich. In den ländlichen Regionen hingegen kann ich mir nicht vorstellen, dass ein reiner Online-Lebensmittelhändler wegen drei Yoghurts extra nach Trun oder nach Avers fährt. Das rentiert sich schlicht nicht.
Sie sind seit 18 Jahren bei Volg. Wie sieht Ihre berufliche Zukunft aus?
Wie die Digitalisierung ungebremst vorwärts geht, so rückt für mich persönlich auch die Pensionierung unaufhaltsam näher. 2019 werde ich 63 Jahre alt. Volg ist ein Unternehmen, das vorausschauend denkt und handelt. Daher wurde auch meine Nachfolge frühzeitig angegangen. Es freut mich sehr, dass wir diese mit Philipp Zgraggen gefunden haben. Er wird ab 1. September 2018 als Mitglied der Geschäftsleitung der Volg-Gruppe den Bereich Unternehmensentwicklung leiten. Per 1. September 2019 übernimmt er dann den Vorsitz der Geschäftsleitung der Volg-Gruppe. Ich kann Ihnen versichern, dass die bewährte Volg-Strategie der kleinen, erfolgreichen Schritte und die Führung der Volg-Gruppe nach unseren Werten unverändert bleiben wird. Dafür spricht alleine schon, dass die Volg-Gruppe in die Fenaco Genossenschaft eingebettet ist und die strategischen Leitplanken somit gesetzt sind. Vorerst freue ich mich aber darauf, für Volg mit gewohntem Engagement und mit viel Freude an meiner Aufgabe weiter tätig zu sein.
www.volg.ch