Durch den Einkaufstourismus in die Nachbarländer der Schweiz fliessen jährlich gut 8,5 Milliarden Schweizer Franken ins Ausland ab. Die Auswirkungen des Einkaufstourismus auf den Handel in den Grenzregionen sind immens. Die neusten Auswertungen der Debit- und Kreditkartentransaktionen des grössten Kartenakzeptanz-Providers durch den Branchenverband Swiss Retail Federation zeigen, dass der Einkaufstourismus im ersten Halbjahr 2023 im Vergleich zum Vorjahr deutlich an Fahrt gewonnen hat. Gegenüber der Vorjahreshalbjahr haben die Zahlungsvolumen um satte 10,2 Prozent zugenommen.
Falsche Anreize
Aus Sicht des Detailhandels ist die Situation stossend, weil der Gesetzgeber den Einkaufstourismus mit falschen Anreizen zusätzlich begünstigt. Zwar haben die eidgenössischen Räte schon mehreren Standesinitiativen Folge gegeben, aber umgesetzt sind sie noch immer nicht. Nach wie vor wird der In- und Auslandkonsum steuerlich unterschiedlich behandelt. Die Kundschaft, die aus dem Ausland Waren innerhalb der Wertfreigrenze von 300 Franken einführt, kann sich die ausländische Mehrwertsteuer zurückerstatten lassen und muss keine schweizerische Mehrwertsteuer bezahlen.
Die Swiss Retail Federation fordert deshalb, den doppelten Steuervorteil für Auslandseinkäufe so anzupassen, dass die Schweizer Kundschaft nicht schlechter gestellt wird. Eine pragmatische Umsetzung bestünde in der Senkung der Wertfreigrenze auf 50 Franken. Dies entspricht der Bagatellgrenze in Deutschland (50 Euro), ab welcher Schweizer Einkaufstouristen die deutsche Mehrwertsteuer zurückfordern können.
Die Wertfreigrenze ist ein massgeblicher Treiber des Einkaufstourismus. Eine Studie der Universität St. Gallen hat gezeigt, dass mit ihrer Senkung auf 50 Franken die Kundschaft rund 33 Prozent weniger Einkäufe im Ausland tätigen würde.
Vor allem Grenzkantone betroffen
Die Auswertung der Daten zeigt, dass die massgeblichsten Wachstumsbeiträge am zunehmenden Einkaufstourismus verschiedenen Grenzkantonen zugeordnet werden konnten. Konkret trugen Kantone wie Basel-Stadt, Basel-Landschaft, Genf, Jura, Neuenburg, St. Gallen und Tessin im ersten Halbjahr 2023 die höchsten Anteile an der Volumensteigerung der Auslandeinkäufe bei.
Gerade in diesen Kantonen sei es für den Detailhandel von existenzieller Bedeutung, dass er gegenüber dem grenznahen Ausland wettbewerbsfähig bleibe und nicht durch bundesrechtliche, kantonale oder kommunale Regulierungen bzw. Standortfaktoren weiter benachteiligt werde, so Swiss Retail Federation.