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Unternehmen und Märkte

Digitale Revolution: Wie fit ist die Schweiz?

Die Digitalisierung kennt keine Gnade. Unternehmen, die sich ihr verweigern, werden überrolt von der digitalen Welle. Auch hier gilt: Es ist besser auf der Welle mitzusurfen, als von ihr gewaschen zu werden. Wie das geht, sagen uns zwei Profis aus E-Commerce und Logistik. Im Gespräch mit Chris Hauth von Siroop und mit Stefan Regli von PostLogistics. Die beiden Manager werden am Europa Forum Luzern vom 13. November 2017 als Referenten auftreten.

Dass die digitale Welle, vielleicht muss man schon von einer Revolution sprechen, auch die Schweiz voll erfasst hat, ist klar. Weniger klar ist es vielen Unternehmern im Retail auch jetzt noch, was das heissen wird. Gut, wenn diese Ihre Nische gefunden haben, dann bewirtschaften sie die so lange es geht. Man kann das auch ohne Digitaliserung tun. Aber für den ganzen Rest, die mittleren bis grösseren Retailer, gilt: Der Druck wird zunehemen. Beim Omni-Channel, bei den digitalen Gadgets im Store und sogar in der Unternehmenskultur.

Wir von HANDEL HEUTE haben mal bei zwei Profis nachgefragt, was der Stand der Dinge ist und was es noch alles braucht, damit die Unternehmen gut die digitale Welle abreiten können. Chris Hauth, Co-Founder und Verantwortlicher Customer Experience & Marketing bei siroop.ch und Stefan Regli, Leiter Verkauf & Kundenservices sowie Mitglied der Geschäftsleitung PostLogistics, gaben uns die Antworten auf unsere fünf Fragen. Wer mehr wissen will zur Digitalen Revolution, dem sei ein Besuch beim gleichlautenden Kongress (siehe Box rechts) empfohlen. Allen anderen wünschen wir viel Glück mit der Digitalisierung.

Zu den Gesprächsteilnehmern: 

  • Chris Hauth ist Co- Founder und Verantwortlicher Customer Experience & Marketing bei Siroop
  • Stefan Regli ist Leiter Verkauf und Kundenservices und Mitglied der Geschäftsleitung PostLogistics

Die digitale Revolution im Schweizer Handel – wie steht es eigentlich darum und sind wir fit genug?
Hauth: Die Schweiz holt auf. An vielen Stellen ist die digitale Revolution in vollem Gange. Die Schweiz hat enormes Potenzial und den Willen, dieses auch zu nutzen. Das Interesse der Händler und auch Hersteller ist definitiv da. Man lässt sich auf die Herausforderungen ein und stellt sich ihnen, mutig und vorwärtsgewandt. Man ist für das Thema Digitalisierung nie «fit genug», allerhöchstens mutig und bereit genug. Hier ist die Schweiz auf dem Weg, aber sicher noch nicht am Ziel. Definitiv aber auf dem richtigen Weg.
Regli: Auf dem Gebiet des Online-Handels gibt das Ausland die Benchmarks vor. Gerade im Bereich des Omni-Channels sehe ich in der Schweiz einen grossen Nachholbedarf. Viel Zeit bleibt dem Handel nicht mehr. Dies zeigen die Nachrichten der letzten Monate, in denen gehäuft über Restrukturierungen, Firmenübernahmen oder Firmenschliessungen im Detailhandel berichtet wurde.

Aus Ihrer Sicht: Wo ist noch am meisten Handlungsbedarf - beim Personal generell oder dem Management?
Hauth: Ich würde generell vom Team sprechen, egal ob Manager oder "Personal". Ein Team mit den richtigen und notwendigen digitalen Fähigkeiten zusammenzustellen, ist in der Tat eine Herausforderung. Es bedeutet konkret für die Schweiz: Eigenständig im Unternehmen Teammitglieder auszubilden und weiterzuentwickeln und in sie zu investieren. Und sicherstellen, dass Know-how in der Unternehmung schnell und einfach geteilt werden kann. Es bedeutet für jeden selbst, sich nie auf dem erreichten Wissenstand auszuruhen, sich persönlich immer weiterzuentwickeln und dies nicht alleine der Verantwortung des Arbeitgebers oder den Universitäten/Schulen zu überlassen. Dafür dreht sich die Welt bei digitalen Themen viel zu schnell, da hält kein Lehrplan schritt. Wichtig sind daher die Grundfähigkeiten: hohe Lernbereitschaft und Neugierde, schnelle Auffassung, Flexibilität und Tools, um komplexe Problemstellungen schnell zu verstehen und greifbar zu machen. Diese Grundsätze gelten für eine erfolgreiche Karriere - schon immer - jetzt werden sie einfach zur Grundvoraussetzung für jeden.
Regli: Aus meiner Sicht sind beide Ebenen betroffen. Das Management muss die richtigen - und zum Teil auch tiefgreifenden - Entscheidungen treffen. Die Mitarbeitenden müssen diese Entscheidungen umsetzten. Damit das funktioniert, müssen die Mitarbeitenden die Vorbehalte gegenüber der Digitalisierung abbauen und gleichzeitig lernen, wie man mit der Digitalisierung in der täglichen Arbeit umgeht.

Sind die Verwaltungsräte digitalisiert genug?
Hauth: Das lässt sich sicher nicht generalisieren und «Digitalisierung des Verwaltungsrates» per se ist auch kein Allheilmittel. Jeder Verwaltungsrat tut jedoch sicher gut daran, sich selbst in dieser Hinsicht immer wieder zu hinterfragen - und wenn notwendig für die relevanten Kompetenz zu sorgen, sollten ihm diese im jetzigen Setup eben fehlen.
Regli: Viele Verwaltungsräte sind sehr fit auf dem Gebiet der Digitalisierung. Für mich stellt sich daher vielmehr die Frage, wieviel Mut die Verwaltungsräte mitbringen, um die entscheidenden Schritte in Richtung Digitalisierung aktiv zu gehen. Ich beobachte, dass in einzelnen Unternehmen stattdessen lieber aus der Defensive heraus agiert wird.

Wie sieht es bei Verwaltung und Politik aus - stimmen da die Rahmenbedingungen für den Handel oder ist das noch ein Hindernis?
Hauth: Oft ist die Politik noch zu wenig proaktiv. Jedoch wird es in den nächsten Jahren immer mehr Digital Natives und Experten in die Politik tragen, und von daher löst sich längerfristig das Thema der Proaktivität. Generell beinhaltet Digitalisierung auch einen gewissen Machtverlust und Kontrollverlust. Es heisst auch überregionales und grossteils globales Denken im lokalen Kontext. Dabei gibt es keine einfachen Lösungen, aber immer spannende Herausforderungen. Grundsätzlich ist weniger Einschränkung in einer global vernetzten und denkenden Welt eher ein Vorteil. Alles andere würde beim Gesetzgeber auch zu Überforderung führen. Themen wie Steuerpolitik, Datenschutz und Innovationsförderung werden heute meistens nur in globalen Netzwerken gewonnen.
Regli: In der Schweiz besteht für den Online-Handel ein gutes Umfeld. Die regulativen Rahmenbedingungen lassen genügend Spielraum. Ich hoffe, dass dies so bleibt. Etwas Kopfzerbrechen macht mir die zukünftige Datenschutzverordnung, deren Inhalte noch nicht klar bestimmt wurden. Zudem ist der künftige Umgang mit der EU entscheidend: Bleiben die Hürden für den Verkauf in die EU gleich oder werden sie höher gebaut? Die nächsten Monate werden es zeigen.

Wie kaufen Sie selber ein? Was online und was im stationären Shop?
Hauth: Ich lebe - wie viele meiner Generation - zwischen den Welten und treffe die Entscheidung ob Online oder Offline gar nicht mehr bewusst, sondern abhängig vom einzelnen Bedürfnis, was mich schneller, besser, angenehmer oder passender im individuellen Fall zum Ziel führt. Ich habe daher schon fast alles online und auch fast alles offline gekauft, vom Auto bis zur Zahnbürste.
Regli: Ich bin ein intensiver Online-Shopper. Gefühlte 80 Prozent meiner Einkäufe tätige ich im Internet. Schuhe, Anzüge, Sport- und Elektronik-Artikel kaufe ich ausschliesslich online ein. Einzig die Artikel des täglichen Bedarfs kaufen wir in der Familie stationär ein - aber glücklicherweise übernimmt meine Frau den Grossteil dieses Einkaufs.

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