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Technologie und Logistik

Migros Aare setzt auf SAP

Die Genossenschaft Migros Aare hat in ihrer Betriebszentrale in Schönbühl SAP Extended Warehouse Management (EWM) in der Frische-Kommissionierung eingeführt – mit vielfältigem Erfolg auf ihrem Weg zur Digitalisierung. Im Gespräch mit Manuel Melliger, Leiter Projekte Logistik der Migros Aare. Im April ist Melliger Referent am «SAP Campus» in Basel.


Interview: Robert Altermatt

 

Welche Produktgruppen kommissioniert die Migros in ihrer Betriebszentrale Schönbühl?
In der Betriebszentrale Schönbühl wird das Frischesortiment für die Filialen der Genossenschaft Migros Aare kommissioniert. Die Frische setzt sich aus den Produktgruppen Früchte & Gemüse, Molkerei, Brot & Convenience, Metzgerei sowie Blumen & Pflanzen zusammen. Da im Segment Frische die Produkte nicht gelagert werden, erfolgt eine sogenannte Verteilkommissionierung, gleich nach Ankunft der Ware im Wareneingang. Das SAP EWM on HANA wurde in einem ersten Schritt in den Bereichen Früchte & Gemüse sowie Blumen & Pflanzen implementiert.


Welche Herausforderungen gab es vor der Implementierung der Lösung?
Bereits vor SAP EWM wurden die Bestellungen in einem Lagerverwaltungssystem (kurz WMS) abgearbeitet. Die Schwierigkeit war jedoch, dass das WMS keinen durchgängigen und zeitnahen Informationsfluss ermöglichte. Dadurch fehlte den Mitarbeitern in der Logistik die Transparenz, weshalb eine optimale Steuerung des Materialflusses erschwert wurde. Zudem wurden die Filialen zum falschen Zeitpunkt mit der gelieferten Ware belastet, was dazu führte, dass SAP Forecasting and Replenishment (inklusive Frische-Modul) für die Bedarfsprognose falsche Filial-Bestände berücksichtigte. Eine zuverlässige Bedarfsprognose ist jedoch essenziell hinsichtlich einer kundenorientierten und effizienten Lieferkette.


Welchen Nutzen/Vorteile bringt SAP EWM der Migros?
Die Vorteile von SAP EWM sind vielfältig. Der grösste Nutzen liegt sicherlich in der Erreichung eines zeitnahen, durchgängigen und transparenten Informationsflusses, und zwar vom Wareneingang der Betriebszentrale bis zum Wareneingang der Filialen. Dadurch konnte die Güte der Bedarfsprognose verbessert werden, da SAP F&R nun auf zeitlich korrekt verbuchte Filial-Bestände zugreifen kann. Diese Optimierung war eines der Hauptziele für das Projekt, da wir damit die Basis für weitere Entwicklungen und Optimierungen entlang der Lieferkette gelegt haben. Ein weiterer Vorteil der gewonnenen Informationstransparenz liegt in der verbesserten Planung und Steuerung der logistischen Prozesse. So konnte in der Verteilkommissionierung die Performance erhöht und die Anzahl Fehler reduziert werden. Dank den Standardprozessen und -schnittstellen liess sich SAP EWM ideal in die bestehende SAP-Systemlandschaft der Migros Aare integrieren. Die Stamm- und Bewegungsdaten sind dementsprechend durchgehend konsistent und für alle Systeme nutzbar. Als letztes gilt es zu erwähnen, dass mit der Integration von SAP EWM zugleich ein internes Kompetenz-Center aufgebaut wurde, das in der Lage ist First- und Second-Level-Support abzuwickeln und einfachere Entwicklungen selbstständig durchzuführen.


Welche Bedeutung hat das Projekt hinsichtlich der Digitalisierung der Lieferkette?
Mit SAP EWM wurde ein wesentlicher Meilenstein für die Digitalisierung der Lieferkette gelegt. Das System ermöglicht einen zeitnahen, durchgängigen und transparenten Material- und Informationsfluss für die Logistik, aber auch für alle vor- und nachgelagerten Stellen wie z.B. Filialen oder Lieferanten. Zudem wird die Betriebszentrale in Schönbühl in den nächsten Jahren ausgebaut. SAP EWM ermöglicht hier einen durchgängigen Datenfluss bis auf die Steuerung der auto­matisierten Anlagen. Diese Tatsache ermöglicht es erst, weitere Massnahmen hin Richtung digitalisierte Logistiksysteme und Lieferkette zu initialisieren und das volle Potenzial von Technologien im Bereich Big Data oder IoT zu nutzen. Zudem sind wir dank SAP EWM anlagenbauerunabhängig, was uns für den Ausbau des Standortes sehr wichtig ist. Dadurch ist sichergestellt, dass auch bei unterschiedlichen Anlagen nur ein Lagerverwaltungssystem sowie Materialflussrechner im Einsatz ist. Damit werden Informationsbrüche verhindert und Weiterentwicklungen müssen nicht in mehreren Systemen vorgenommen werden. Somit können wir viel flexibler und schneller auf Veränderungen und Anforderungen reagieren.


Welches waren die Erfolgsfaktoren zum Gelingen des Projekts?
Das SAP EWM ist eine Software für die Steuerung von logistischen Prozessen. Dennoch darf es nicht als reines Logistikprojekt angeschaut werden. Ein WMS-Projekt ist auch ein ERP-Projekt. Diese Tatsache darf nicht unterschätzt werden. Ein wesentlicher Erfolgsfaktor war das interdisziplinäre Projektteam, welches aus unterschiedlichsten Bereichen und Hierarchiestufen zusammengesetzt wurde und gemeinsam auf gleicher Augenhöhe das Projekt erfolgreich vorangetrieben hat. Dies war sicherlich ein wesentlicher Erfolgsfaktor, da jeder Bereich sich frühzeitig und jederzeit konstruktiv kritisch ins Projekt mit einbringen konnte. Zusätzlich hat sich dadurch eine gute Gruppendynamik entwickelt, die vor allem während der go-Live-Phase essentiell war.


Wieso erfolgte die Einführung von SAP EWM zuerst bei der Verteilkommissionierung von Agrarprodukten und Blumen?
Um den künftigen Herausforderungen begegnen zu können, braucht die Verteillogistik der Genossenschaft Migros Aare mehr Kapazität – und somit mehr Platz. Die Erweiterung wird im Rahmen des Projekts «Logistikplattform 2030» umgesetzt. Das Projekt beinhaltet den Bau von neuen Logistik-Infrastrukturen und -Anlagen. Um die bereits hohe Komplexität aus dem Projekt zu reduzieren, wurde entschieden, die neue Lagerverwaltungssoftware in einem Vorprojekt im Bereich Agrar in die bestehende Logistik-Anlage zu integrieren. Damit konnten bereits Schnittstellen in die umliegenden Systeme realisiert und Prozessanpassungen vorab implementiert werden. Die Entscheidung, SAP EWM zuerst im Bereich Agrar zu implementieren, war hauptsächlich vom Zeitplan des Projekts «Logistikplattform 2030» getrieben.


Inwiefern profitiert der Endkunde von diesem Projekt?
Der direkte Nutzen aus der Implementierung von SAP EWM haben die Filialen, da ihre Anlieferungen und Bestände nun zeitnah und vollständig ersichtlich sind und zum richtigen Zeitpunkt verbucht werden. Dies reduziert sowohl die Unsicherheit bei den Mitarbeitern sowie falsche Korrekturbuchungen im System. Durch die damit erreichte Transparenz in der Lieferkette können die Bedarfsprognosen und Logistik-Prozesse optimal an die Kundenbedürfnisse ausgerichtet werden. Davon profitiert der Endkunde der Migros Aare, indem die Verfügbarkeit der Produkte in den Regalen verbessert wird, was das Einkaufserlebnis natürlich positiv beeinflusst. Zugleich wird durch die präzisere Prognose eine Reduktion von Verderb und damit Food-Waste im Frischesortiment erreicht. Ein Projekt ohne Kundennutzen wird nicht umgesetzt, da unsere Kunden jederzeit im Mittelpunkt unseres Handelns stehen.


Weshalb forciert die Migros die digitale Supply Chain?
Die Genossenschaft Migros Aare sieht ein riesengrosses Potenzial in der Digitalisierung ihrer Lieferkette. Diese weist heute hohe Spitzenlasten zu bestimmten Zeiten auf und ist dadurch weder flexibel noch robust gegen rasche Veränderungen. Der Grund ist, dass nach dem «Make2Order»-Prinzip gearbeitet wird. Alle involvierten Partner in der Lieferkette warten, bis die Filialen ihren Bedarf abgesetzt haben. Erst danach wird die Bestellung an den Lieferanten übermittelt und die Logistik kann mit der Kommissionierung der Ware beginnen. Durch die hohen Bestellmengen und kurzen Durchlaufzeiten entstehen hohe Arbeitsspitzen im System. Mit Hilfe der Digitalisierung will die Genossenschaft Migros Aare die Lieferkette in ein «Iterative Forecasting»-Prinzip überführen. Mit einer iterativ generierten Bedarfsprognose soll bereits vor der eigentlichen Bestellung der Filiale die Ware beim Lieferanten beschafft und die Kommissionierung gestartet werden. Dank dem gewonnenen Vorlauf lässt sich der Warenstrom präzise planen und steuern. Dies ermöglicht eine Glättung der Spitzenlast, eine Erhöhung der Warenverfügbarkeit im Lager und somit auch die Bildung einer auf die Filiale abgestimmten Palettenstruktur, was den Einräumprozess in den Filialen vereinfacht. Schliesslich muss eine Digital-Massnahme entweder einen Mehrwert für die Kunden generieren, im Sinne von Services, oder die Kosten reduzieren respektive die Effizienz erhöhen.


www.migrosaare.ch

www.sap.com