Nähe als Erfolgsfaktor im Handel
Nähe ist mehr als ein Ort – sie ist ein Gefühl. Wer dieses Gefühl vermitteln kann, gewinnt nicht nur Kundinnen und Kunden, sondern auch ihr Vertrauen. Der Handel der Zukunft entsteht dort, wo Menschen leben, arbeiten und sich verstanden fühlen.

Spass- und Sinnkrise des Handels
Es hat sich ausgebummelt. Shopping ist kein Vergnügen mehr – wie wir bereits in unserer gleichnamigen GDI-Studie «Ausgebummelt» gezeigt haben. Die Mehrheit der Menschen möchte Einkäufe nur noch schnell und effizient hinter sich bringen; Bummeln ist zur Ausnahme geworden. Die Gründe: Zeitstress, Konsummüdigkeit und der Wunsch nach mehr Bedeutung im Alltag. Seither hat sich wenig verändert.
91 Prozent sind mit dem stationären Einkaufserlebnis unzufrieden, 76 Prozent empfinden auch den Onlinehandel als langweilig oder frustrierend. Damit bestätigt eine aktuelle internationale Studie unter 20'000 Konsumentinnen und Konsumenten in 26 Ländern den Trend: Der Handel steckt in einer emotionalen Sackgasse.
Schneller, näher und sinnvoller
Orientierung bieten die vier P des zukunftsfähigen Handels: «Promptness», «Proximity», «Pleasure» und «Purpose». Sie sind als strategische Antwort auf die Spass- und Sinnkrise des Einkaufens zu verstehen – mit dem Ziel, wieder mehr Freude und Bedeutsamkeit in den Einkaufsbummel zu bringen. Dabei adressieren sie sowohl die quantitative Dimension («Promptness» = Zeitersparnis und reibungslose Abläufe) als auch die qualitative Dimension («Pleasure» und «Purpose» = Einkauf mit spassigen oder sinnstiftenden Elementen anreichern).
Besonders «Proximity», die Nähe, hat dabei an Relevanz gewonnen – weil sie beide Dimensionen verbinden kann: kurze Wege für mehr Komfort (quantitativ) und echte menschliche Verbindung (qualitativ) in einer zunehmend entkoppelten, technologisierten Welt.
Wie Unternehmen wieder näher an Ihre Kunden rücken, zeigt Johannes C. Bauer, Head of Think Tank beim GDI, an der 75. Internationalen Handelstagung im September 2025. Weitere innovative Impulse für Handelsunternehmen und Marken liefern Speaker von Ali Express, Valora, Vaude und viele mehr.
Physische Nähe bestimmt das Kaufverhalten
Jüngste Auswertungen des GDI zeigen: Menschen kaufen häufiger in der Nähe ihrer Wohnung ein, besonders wenn sie dort auch arbeiten. Wo kein Laden in Reichweite ist, wird online bestellt. Mit jedem Kilometer Distanz steigt die Wahrscheinlichkeit im Online- statt stationären Shop einzukaufen. Dies zeigt eine umfassende Analyse im Auftrag des National Bureau of Economic Research. Bei einer Distanz von 1,6 Kilometern zum Laden entschieden sich zwei Prozent für den Online-Einkauf. Bei 32 Kilometern waren es bereits 70 Prozent.
Es überrascht daher kaum, dass die Nähe zu Einkaufsmöglichkeiten bei der Immobiliensuche zu den wichtigsten Standortfaktoren zählt – oft noch vor Angeboten wie Gastronomie, Kultur oder Schulen. Und dass die Neueröffnung eines Ladens den Wert einer Immobilie massgeblich erhöhen kann. Nähe zum Handel heisst für viele Lebensqualität und Unabhängigkeit.
Zwei ältere Damen brachten diesen Stellenwert in der Süddeutschen Zeitung treffend auf den Punkt: «Viele verstehen nicht, dass ein Supermarkt Freiheit bedeutet. Die Leute denken, ein Supermarkt wäre bloss ein transaktionaler Ort des Konsums. Doch ein Supermarkt in Fussweite kann auch bedeuten, die eigene Würde zu bewahren. Für sich selbst sorgen zu können.»
Städte und Handel: Kleiner und näher
Diese Entwicklung verändert nicht nur das Kundenverhalten, sondern auch das Stadtbild. Das Modell der 15-Minuten-Stadt – in der sich zentrale Einrichtungen wie Supermärkte, Apotheken und Freizeitangebote zu Fuss oder per Velo erreichen lassen – wird zur Blaupause für die Stadtplanung der Gegenwart. Handelsunternehmen folgen diesem Trend mit neuen Store-Formaten: Kleinere, kompakte Filialen in Quartieren oder auf Hochschulcampus ersetzen grossflächige Outlets auf der «grünen Wiese». Carrefour, Decathlon, Target, Macy’s oder Ikea haben bereits entsprechend umgestellt. Auch Schweizer Anbieter wie Valora setzen auf Nähe: mit 13 Verkaufsformaten und 2800 Verkaufsstellen an Hochfrequenzlagen wie Bahnhöfen, Tankstellen oder Flughäfen.
CEO von Valora live auf der Bühne erleben?
Wie Nähe, Digitalisierung und Convenience zusammenfinden, zeigt Valora-Chef Michael Mueller an der Internationalen Handelstagung am GDI. Mehr im Trend-Update «So geht Convenience – lokal und digital»
Parallel dazu boomt die Logistikinfrastruktur im urbanen Raum. Investitionen in Lagerflächen übersteigen inzwischen jene in klassische Handelsimmobilien. Unternehmen setzen auf Micro-Hubs in der Nachbarschaft, etwa durch Umnutzung von Parkplätzen oder leerstehenden Immobilien. Auch autonome Läden oder Verkaufsboxen – wie jene von Tante Enso, Teo oder Holabox versorgen lokale Kundschaft direkt vor Ort und schliessen mancherorts Versorgungslücken.
Menschliche Nähe statt Technikfrust
Trotz rasanter Digitalisierung bleibt eines unverändert: Der Wunsch nach echtem menschlichem Kontakt. 64 Prozent der Konsumentinnen und Konsumenten geben an, dass persönliche Beratung vor Ort durch keine Technologie zu ersetzen ist und nur 13 Prozent würden ihren gesamten Einkauf an eine KI delegieren. Das zeigt die kürzlich erschienene GDI-Studie «Smart & Menschlich». Gerade im stationären Handel liegt hier ein unterschätztes Potenzial: Während viele KI-Anwendungen auf Skepsis stossen – 40 Prozent würden Läden ohne Personal boykottieren – wird persönliche Betreuung nach wie vor geschätzt.
Die Lösung liegt nicht im Entweder-oder: Wenn KI die Prozesse im Hintergrund optimiert, entsteht im Vordergrund Raum für echte Begegnung. So wird Technologie nicht zum Ersatz, sondern ermöglicht menschliche Nähe – und wird damit zum Schlüssel für Vertrauen, Bindung und Akzeptanz im digitalen Zeitalter.
Fazit: Was zählt, ist Nähe – nicht nur in Kilometern, sondern im Kopf und im Herzen. Dort, wo Menschen sich gesehen, verstanden und verbunden fühlen, wird der Handel wieder lebendig. Es geht nicht allein um Effizienz oder Bequemlichkeit, sondern um Resonanz und Relevanz im Alltag. Nähe schafft Vertrauen und Vertrauen ist die neue Währung im Zeitalter digitaler Distanz. Wer diesen Wert erkennt, gestaltet nicht nur den Handel der Zukunft, sondern auch die Lebensqualität von heute.
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