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Unternehmen und Märkte

«Veganes Jahrzehnt hat gerade erst begonnen»

«Veganes Jahrzehnt hat erst begonnen»
Theo Favetto: Die vegane Lebensweise ist die ­reinste Form des gesunden Menschenverstandes.
Bild: zVg

Theo Favetto hat mit seiner Veeconomy AG mehrere vegane Food-Brands in der Schweiz eingeführt. Im Interview mit «HANDEL HEUTE» erzählt er von seinem Kampf als Start-up und wie der Handel vom Vegan-Boom profitieren kann.

Theo Favetto, Sie sind Veganer. Was haben Sie eigentlich gegen Fleischesser? 
Das sind schlechte Menschen (lacht). Quatsch. Ich möchte die Menschen nicht in zwei Gruppen einteilen, hier die guten Veganer, da die schlechten Fleischesser. Ernährung ist ein zu wichtiges und gleichzeitig ein sehr individuelles Thema. 

Sie weichen aus. 
Nein, ich habe etwas gegen unbewussten Konsum von Lebensmitteln. Wer sich zuwenig Gedanken über die Herkunft der Lebensmittel macht, über die Rohstoffe, die der Hersteller verwendet und mit welchen umweltschädlichen und sozial unverträglichen Methoden diese produziert werden, den muss ich kritisieren. 

Und ihm das Fleisch verbieten? 
Nein, sicher nicht. Jeder muss mit sich selbst vereinbaren, welche ethischen Werte mit seiner Ernährung verbunden sein sollen.

Sie müssten eigentlich den Greta-Effekt spüren? 
Die Umstellung auf eine fleischlose ­Ernährung wäre ein wichtiger Beitrag zu einer CO2-ärmeren Wirtschaft. Dank ­Greta Thunberg ist das Thema in der breiten ­Öffentlichkeit angekommen. Wir sind seit fünf Jahren aktiv und spüren seit unserem Start einen stetigen Aufwärtstrend. Immer mehr Menschen wollen bewusster leben. Nicht unbedingt wegen der Klimaerwärmung sondern weil sie sich ihrer Verantwortung gegenüber Mensch und Tier bewusster werden. 

Aber so richtig durchgesetzt haben sich die veganen Lebensmittel im Handel dennoch nicht. 
Leider. Vegane Lebensmittel sind derzeit noch ein klares Nischenprodukt. Derzeit. Das wird sich in diesem Jahrzehnt ändern: Es wird vegan. 

Was macht Sie so optimistisch? 
Wir waren damals noch Pioniere, man hat uns als Ideologen bezeichnet; heute wird langsam ein Business daraus. Das haben die Grossverteiler erkannt, wenn sie auch nur halbherzig an die Sache herangehen. Bisher wurden nur Menschen angesprochen, die bereits vegan denken; mit den neuesten Fortschritten in den Lebensmitteltechnologien rücken die Flexitarier in den Marketingfokus, also jene Menschen, die sich vom Fleischkonsum noch nicht gelöst haben ­­­– aus unterschiedlichen Gründen. Sie brauchen pflanzliche Fleischersatzprodukte. Die Branche hier ist noch jung, viele Alternativen sind noch zuwenig verfügbar. Das wollen wir ändern. 

Wie? 
Indem wir die Bad­­­-Tofu­­­-Experience vergangener Jahre vergessen machen. Durch gute Produkte und ausgezeichnetes Marketing. Das Label «vegan» reicht nicht mehr. Es braucht ein Markenerlebnis. Es braucht eine Community. Es braucht ein umfassendes Konzept für Vertrieb und Verkauf. Daran arbeiten wir mit dem Brand «Unmeat».

Welche veganen Trends machen Sie aus? Und wie steht es um das Kundensegment Kinder?
(Schmunzelt) Baby-Broccoli ist cool. Im Ernst: Ich wäre schon zufrieden, wenn Kinder mehr Gemüse essen und sie ausgewogen und vor allem frisch ernährt werden. Ganz allgemein werden die ­Fleischersatzprodukte geschmacklich immer besser, Käse wird hier das grosse Thema. Wer einen perfekten veganen ­Greyerzer herstellt, der wird reich. Ein ­grosses Thema entwickelt sich erst, nämlich zertifizierte biovegane Lebensmittel. Hier dürfte das Sortiment noch wachsen. 

Was kann der Handel zum veganen Boom beitragen? 
Mir hat einmal ein Einkäufer gesagt: «Käse auf Cashewbasis ­­­– nur über meine Leiche». Dieses veraltete Denkmuster, diese Konditionierung auf die Tierwirtschaft muss aufgebrochen werden. Nur wer die Komfortzone verlässt, sichert sein Geschäft langfristig. Produkte aus der Tierwirtschaft werden nämlich zwangsweise zum Nischengeschäft. Wie der Verbrennungsmotor in der Mobilität oder die Vinyl-Schallplatte. Es braucht also Leidenschaft und Verständnis für die neuen Bedürfnisse der hochvernetzten Konsumentinnen und Konsumenten, die sich ethisch verhalten wollen.

Entsprechend ist die Präsentation im Laden… 
Vegane Produkte werden oft im «Regalghetto» platziert. Das ist falsch. Vegan ist keine Krankheit. Darum sollten die Produkte beim Original platziert werden, das vegane Patty gleich neben jenem aus Rindfleisch.

Die Konsumenten wären doch aufgeschlossen. Liegt der Fehler nicht im System und der Logik grosser Retailer?
Der Retailer reagiert nur auf eine steigende Nachfrage. Es ist nicht seine Aufgabe, Konsumenten zu beeinflussen oder sie zu Veganern zu erziehen. Aber klar, ich wünsche mir mehr Mut von den Einkäufern, eine Portion Risikobereitschaft, um die neuen Trends zu packen. Es braucht vielleicht einen erfahrenen Partner an deren Seite.

Inwiefern kommt Ihnen die Digitalisierung entgegen? 
Wir erreichen Flexitarier direkter denn je. Und kleinere Produzenten – naturgemäss im veganen Bereich – finden ihre Märkte. Der Retail hat hier eine wichtige Funktion: Konsumenten können sich im Laden mit dem Aufbau einer Videokonferenz von den Zuständen beim Hersteller ein Bild machen. Solch ein System testet etwa Cisco. Ich rechne damit, dass die Digitalisierung wesentlich dazu beitragen wird, dass sich ethische Werte in vielen Wirtschaftszweigen durchsetzen werden. Wir sollten nicht auf Kosten unserer Umwelt und anderer Lebewesen leben.  

www.veeconomy.com