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Unternehmen und Märkte

«Digital und auf mehreren Kanälen gleichzeitig»

Gregor Doser ist Industry Leader bei Google Schweiz und zudem Mitglied der Geschäftsleitung.
Bild: Google

Das Grosse Interview:

Am 12. Shopping Center Forum Switzerland vom 9. Mai 2019 wird unter anderen auch Gregor Doser als Referent auftreten. Doser ist bei Google Schweiz Industry Leader und Mitglied der Geschäftsleitung. Er wird zum Thema «Retail – und die Relevanz von Mobile» sprechen.

Dieses Interview wurde erstmals in der HANDEL-HEUTE-Printausgabe, Nummer 6-2018, publiziert.


Interview: Robert Altermatt

 

Herr Doser, mobile Geräte wie Smartphones oder Tablets werden gerade auch im Retail-Bereich immer wichtiger, insbesondere was das Einkaufen betrifft. Was heisst das in Ihren Augen für Marken oder Firmen?
Gregor Doser: Das Konsumentenverhalten und die Erwartungen haben sich stark verändert – der Konsument von heute ist typischerweise sehr interessiert, anspruchsvoll (fordernd) und recht ungeduldig – und dies viel mehr als je zuvor – diverse Studien belegen dies. Der Konsument, der übers Smartphone 24/7 online ist, möchte relevante Informationen meist fast in Echtzeit erhalten – ganz gleich also, welche Uhrzeit es ist und wo er sich gerade befindet. Und dabei hilft gewöhnlich das Smartphone oder ein anderes mobiles internetfähiges Gerät. Diese Geräte sind sehr mächtig, denn sie bieten dem Konsumenten die Möglichkeit, genau das zu erhalten, was er will – meist sofort und mühelos. Letztlich bedeutet dies für Marken oder Firmen, um diese «dreifachen Ansprüche» des Konsumenten (interessiert, aber auch anspruchsvoll und recht ungeduldig) zu wissen und ihm entsprechende schnelle, relevante und interessante Informationen in Bezug auf die eigenen Produkte, Dienstleistungen oder die Marke liefern zu können.


Was bedeuten die disruptiven Veränderungen in Zeiten des digitalen Wandels zum Beispiel für ein Kleidergeschäft, das sich bisher auf den Laden selber und auf sein Schaufenster konzentriert hat?
Jeder Betrieb sollte die neuen Möglichkeiten im digitalen Bereich nutzen, um auf das eigene Produkt aufmerksam zu machen. Das Stichwort heisst «Omni--Channel» – den Konsumenten auf seiner «Customer Journey» in den entscheidenden Momenten mit Marken- oder Produktebotschaften zu erreichen – ganz gleich auf welchem Kanal. Denn der Konsument von heute unterscheidet nicht mehr zwingend zwischen On- und Offline. So gehört meiner Meinung nach auch für ein ehemals stationäres Ladengeschäft eine gute Internetpräsenz für mobile Geräte eben auch zu dieser «Omni-Channel»-Strategie – man kann online gefunden werden, zudem kann die mobile Nutzererfahrung optimiert werden. Darüber hinaus spielen die Faktoren Messung (welche Konsumenten kommen über welchen Kanal) und gegebenenfalls auch Werbung (für aktive Ansprache) eine Rolle.
Denn durch die soeben angesprochenen rasant steigenden Erwartungen der Konsumenten sind Händler – und eben auch kleinere stationäre Läden – zum Umdenken gezwungen. Es geht heutzutage als Unternehmen weniger darum, die Nutzer mit Markenbotschaften zu überfrachten, sondern bei der Erfüllung ihrer Bedürfnisse bestmöglich zu unterstützen –  hilfreiche Marken werden im heutigen Zeitalter von Konsumenten belohnt. Man muss heute digital schlicht und einfach auch präsent sein.


Ist das Display des Mobiltelefons oder des Tablets so etwas wie das neue Schaufenster?
Sicherlich, die heutigen Konsumenten verbringen sehr viel Zeit online und auf ihrem Smartphone, es ist oft eine Art Assistent in ihrer Hosentasche, welches gezückt wird, wenn eine Information benötigt oder ein Interesse gestillt werden will. Im Durchschnitt wird rund 150 Mal pro Tag aufs Mobile geschaut. (Quelle: «Win every Micro-Moment with a Better Mobile Strategy»). Somit ist Mobile für alle Produkte und Dienstleistungen relevant. Wir sehen heutzutage kaum Unterschiede, was die Art der Suchanfragen angeht. Bei besonders teuren Produkten wie zum Beispiel einem Auto ist es jedoch weiterhin so, dass gerne über das Smartphone recherchiert wird und der Kauf dann auf dem Desktop-PC getätigt wird. Das bedeutet jedoch auch, dass die mobilen Touchpoints – während der Recherche – wichtig für die späteren (Kauf-  oder Buchungs-)Entscheidungen sind.


Was sind die Kriterien, dass ein Auftritt einer Firma/einer Marke mit mobilen Geräten gut oder eben nicht so gut ist?
Dies kann man nicht pauschal sagen, aber es gibt einige Faktoren, die entscheidend sind. Die Bedienfreundlichkeit ist neben der Geschwindigkeit sicher ganz entscheidend. Konsumenten sollte es möglichst einfach gemacht werden, auf der Seite zu navigieren, Informationen zu finden, zu bestellen oder zu buchen.


Wie wichtig ist es, dass die Customer Journey für den Kunden einheitlich ist – online, mobile oder im Laden?
Um erfolgreich und wettbewerbsfähig zu sein, müssen traditionelle Händler heutzutage die Omni-Channel-Strategie perfektionieren, da die Digitalisierung der Gesellschaft und  des täglichen Lebens immer weiter vorangehen wird, denn ansonsten droht, dass sich Mitbewerber im Markt besser positionieren.
Der heutige Kunde ist digital und auf mehreren Kanälen gleichzeitig, also «Omni-Channel» unterwegs: 97 Prozent der Schweizer shoppen online (Quelle: Futurecom, 2017), und jeder zweite Schweizer recherchiert sein später gekauftes Produkt online – egal ob zu Hause (Second Screen / Desktop) oder On-the-Go (Mobil). Generell sehen wir, dass es zweimal höhere «near me»-Suchan­fragen gibt, und 76 Prozent der Konsumenten mit lokalen Suchanfragen innerhalb eines Tages in das stationäre Ladengeschäft  gehen. Der Handel braucht ein «digitales Schaufenster», um den Kunden optimal abholen zu können, damit am Ende ein Verkauf stattfindet – und zwar egal ob online, mobile oder im Laden.

Welche Synergien wird es zwischen On- und Offline künftig verstärkt geben?
Die Verschmelzung der Offline- und Online-Kanäle, die eine «Omni-Channel»-Ansprache der Konsumenten erfordert, wird in Zukunft immer bedeutender. Die Bedürfnisse der Konsumenten steigen stetig, als Marke geht es heutzutage weniger darum, Nutzer mit Werbebotschaften zu überfrachten, sondern Konsumenten bestmöglich bei Fragen und Bedürfnissen im Alltag zu unterstützen. Für Unternehmen geht es daher darum, dort zu werben, wo es relevante Touchpoints mit den Konsumenten gibt, möglichst relevante und personalisierte Werbebotschaften zu kommunizieren und drittens eine schnelle und einfache Erfahrung zu bieten. Zudem scheint mir der Trend beim «Sprachassistenten» stark an Fahrt zu gewinnen. Für uns bei Google ist es insbesondere das Maschinelle Lernen, welches unter an­derem die Spracherkennung in der Google-Suche stark verbessert, da mündliche Anfragen in den USA bereits 20 Prozent aller Suchanfragen ausmachen. Dieses Thema wird wohl  in den kommenden Jahren noch an Fahrt gewinnen, da sich Konsumenten zunehmend wünschen, bei alltäglichen und Routine-Aufgaben unterstützt zu werden.   


Wie präsentiert sich der Online-Markt in fünf bis zehn Jahren?
Es ist gut möglich, dass wir in fünf bis zehn Jahren nicht mehr über einzelne Marketing-Kanäle sprechen werden, sondern Normalzustand ist, dass alle Kanäle verschmolzen sein werden. So würde bei wenigen Werbe Creatives Anpassungen nach Geräten gemacht, aber ein grosser Anteil der Werbeausspielung wird über programmatische Systeme, über verschiedene Medien, laufen.


Welche Chancen hat in Ihren Augen der stationäre Handel? Hat der Offline-Handel heutzutage überhaupt noch eine Chance?
Wie schon bereits vorher erwähnt, sehe ich auch in Zukunft bei den Händlern keine klassischen stationären Händler versus Online-Pure Player. Denn auch die ehemals stationären Player im Handel holen auf und nutzen die Möglichkeit von Digital zu ihren Gunsten – und können mit einer Omni-Channel-Strategie zwischen stationärer Ladefläche (für Beratung und das haptische Kundenerlebnis) und Online (Informationen zu Verfügbarkeit, Preis, Produktdetails) punkten. Somit sehe ich die Zukunft so, dass der ehemalige Offline-Handel – bis auf wenige Ausnahmen zum Beispiel bei landwirtschaftlichen Produkten – die Möglichkeiten von Digital über kurz oder lang auch für sich nutzen wird.


Was ist ihr Jobprofil bei Google?
Als Industry Leader ist es mein primäres Ziel, für unsere Kunden und Agenturen ein vertrauensvoller Partner zu sein, sie zu beraten, ihnen helfen, die Möglichkeiten für den Aufbau ihrer Marken zu verstehen, zu erweitern und ihre Geschäftsergebnisse zu verbessern. Das beinhaltet ebenfalls, zusammen mit unseren Partnern Lösungen zu entwickeln, die es dem Kunden ermöglichen, die Leistung seiner Gesamtmarke durch die entsprechenden digitalen Plattformen und Medien erfolgreich zu steigern.
 

Was fasziniert Sie täglich an Ihrem Job?
Mit Menschen zusammenzuarbeiten, die etwas verändern möchten und eine grundlegende Neugier mitbringen und die dazu noch eine Leidenschaft für Technologie und digitale Themen haben, schätze ich sehr. Bei Google zu arbeiten heisst, dass jeder Mitarbeiter etwas Wichtiges zu sagen hat und dass jeder Mitarbeiter ein wesentlicher Bestandteil unseres Erfolgs ist.


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